CIBEDO-Beiträge 01/2010
Editorial
Editorial 1/2010
Liebe Leserinnen und Leser,
die Zweite Deutsche Islamkonferenz (DIK) will nicht so recht aus den Startlöchern kommen. Zunächst waren alle Beteiligten froh, dass auch der neue Innenminister sie fortsetzen will. Aber schon bald wurden erste Problemfelder sichtbar. Im Kern lassen sich vier Streitpunkte ausmachen, die zum Teil zu erheblichen Auseinandersetzungen geführt haben.
Da ist zunächst die Suspendierung des Islamrats. Polizei und Staatsanwaltschaften werfen dem Verband Milli Görüş Spendenbetrug und Unterschlagung vor. Da Milli Milli Görüş die größte islamische Organisation im Islamrat ist und über das größte Einflusspotential auf den Islamrat verfügt, hat Innenminister de Maizière die Teilnahme des Islamrats an der DIK für die Dauer des Verfahrens ruhen lassen. Die Liste der Vorwürfe gegen Milli Görüş ist lang: Bildung einer kriminellen Vereinigung, Betrug, Erschwindeln öffentlicher Fördergelder, zweifelhafte Spendensammlungen, Urkundenfälschung, Untreue und Geldwäsche. Hinzu kommt nun neuerdings noch der Vorwurf der Unterschlagung von Sozialbeiträgen. Das sind gewichtige Anschuldigungen, über die ein Bundesminister des Innern nicht so einfach hinweggehen kann. Bedauerlich nur, dass beim Islamrat so wenig Einsicht in die Lage der Dinge erkennbar ist und der Innenminister auch noch beschuldigt wird.
Ein zweiter Streitpunkt bezieht sich auf die Verteilung der 15 muslimischen Teilnehmer. Die im Koordinierungsrat der Muslime (KRM) organisierten Dachverbände monieren, dass sie nicht in einer adäquaten Zahl vertreten sind. Sie führen an, dass ihre Dachorganisationen die überwiegende Mehrheit der Moscheegemeinden in Deutschland repräsentieren. Dies kann nicht bestritten werden. Aber repräsentieren sie damit auch den Islam in seiner Gesamtheit in Deutschland? Die Ergebnisse der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“, die im Juni 2009 von der DIK herausgegeben wurde, kommt zu dem Schluss, dass sich nur eine Minderheit der Muslime in Deutschland von den im KRM zusammengeschlossenen Verbänden (22,7 Prozent) vertreten fühlt. Was ist mit den restlichen 77,3 Prozent der Muslime in Deutschland? Die angemessene Vertretung aller Muslime stellt nicht nur für die DIK ein Problem dar, dies gilt auch für den christlich-islamischen Dialog.
Ein dritter Streitpunkt besteht in der vorgeschlagenen Themenwahl. Die muslimischen Verbände monieren, dass wichtige Fragen der Muslime nicht benannt worden seien, so vor allem die wachsende Islamfeindlichkeit. Dieser Punkt ist richtig, das Thema gehört auf die Tagesordnung. Angesichts der wachsenden Islamfeindlichkeit in mehreren Ländern Europas muss das Thema behandelt werden. Aber dies ist kein Grund, der DIK fernzubleiben, denn der Innenminister hat sofort eingewilligt, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen.
Schließlich ist auch die Einigkeit des KRM zum Thema geworden. Der KRM war nicht in der Lage, eine gemeinsame Haltung zur Frage der Teilnahme an der DIK zu entwickeln. DITIB und VIKZ wollen teilnehmen, der Islamrat ist suspendiert und der ZMD hat seine Teilnahme abgesagt, für mich mit nicht überzeugenden Argumenten. Die Verbände haben damit der Sache der Muslime geschadet. Die Frage bleibt, ob sie auf diese Weise ihr ohnehin nicht besonders starkes Mandat für eine Repräsentanz aller Muslime in Deutschland weiter geschwächt haben.
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Studien
Die Deutsche Islam Konferenz in ihrer ersten Phase 2006–2009
von Bundesministerium des Inneren 130
Dokumentation: Zusammenfassung der Studie "Muslimisches Leben in Deutschland" durchgeführt von dem Bundesministerium des Inneren 8
Das deutsche Rechtssystem: Eine Chance für den Islam?
von Walter Fischedick 15
Aufgaben und Ziele des katholischen Religionsunterrichts. Statement zum Treffen der Unterkommissionfür den interreligiösen Dialog (DBK) mit Vertretern der DITIB am 30. Juni 2009 in Bonn
von Andreas Verhülsdonk 22
Christen in spiritueller Gemeinschaft mit Muslimen nach Louis Massignon
von Maurice Borrmans 25
Dokumentation
Das Schweizer Nein zu den Minaretten 31
Erklärung zwischen Vatikan und Kairo 33
Fatwa zur Scheinheirat 34
Berichte
Hermeneutik im Christentum und Islam. Bericht der Tagung des FKCI in Köln, 24.–27. September 2009
von Muhammad Gharaibeh und Thomas Würtz 35
Spiritualität und Bildung. August Hermann Francke und Fetullah Güllen. Bericht der Tagung der evangelischen Akademie zu Berlin und dem Forum für interkulturellen Dialog, Berlin vom 5.–7. März 2010
von Thomas Nordmnann 38
Interreligiöse und Interkulturelle Kompetenz angehender Religionsbeauftragter. Bericht über ein ergänzendes Fortbildungsangebot des "Internationalen Studiengangs islamische Theologie" in Ankara
von Timo Güzelmansur 40
Buchbesprechungen
Gerhard Gäde: Islam in christlicher Perspektive. Den muslimischen Glauben verstehen
von Felix Körner SJ 42
Mouhanad Khorchide: Der islamische Religionsunterricht zwischen Integration und Parallelgesellschaft
von Marianne Pratl 44
Heinz Otto Luthe und Carsten-Michael Walbiner (Hrsg.): Anstoß und Aufbruch. Zur Rezeption der Regensburger Rede Papst Benedikts XVI. bei Christen und Muslimen
von Harald Suermann 46
Ernst Fürlinger (Hrsg.): Der Dialog muss weitergehen. Ausgewählte vatikanische Dokumente zuminterreligiösen Dialog (1964 –2008)
CIBEDO e.V. (Hrsg.): Die offiziellen Dokumente der katholischen Kirche zum Dialog mit dem Islam
von Günter Riße 47
Andrea Köck und Muhammad Sameer Murtaza: Muslime im Krankenhaus. Ein interreligiöser Ratgeber für das Krankenpersonal
von Timo Güzelmansur 48
M. Fatih Kesler: Juden und Christen im erhabenen Koran
von Matthias Knödler 48
Literaturhinweise 51
Neuanschaffungen der CIBEDO-Bibliothek 53
Zeitschriftenschau 54
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