Wenn Klimawandel und Terror Hand in Hand gehen
KNA 03.12.2015
Wenn Klimawandel und Terror Hand in Hand gehen
In Westafrika wird aus Umweltproblemen ein Sicherheitsrisiko
Von Katrin Gänsler (KNA)
Ouagadougou/Yola (KNA) Die Aufnahmen sind gut 50 Jahre alt. Sie zeigen den riesigen Tschadsee zwischen Nigeria, Niger, Tschad und Kamerun, als er noch eine Fläche von geschätzten 25.000 Quadratkilometern hatte. Heute wird sie mit etwa 1.500 Quadratkilometern angegeben. Auf aktuelleren Fotos ist von dem einstigen See mit ungeheurem Ausmaß nicht mehr viel zu erkennen.
In Yola, der Hauptstadt des nigerianischen Bundesstaates Adamawa, betrachtet der katholische Priester Maurice Kwairanga das anhaltende Absinken des Wasserspiegels mit Sorge. Er ist Leiter des Caritas-Komitees für Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden (JDPC) und hat in diesem Jahr tau-sende Menschen betreut, die vor der Terrormiliz Boko Haram geflohen sind. Besonders am Herzen liegen ihm daneben jedoch auch Fragen rund um Umweltschutz, Klimawandel und sogenanntem Landgrabbing - das Aufkaufen großer, landwirtschaftlicher Flächen, zu denen die Bevölkerung künftig keinen Zugang mehr hat.
So unterschiedlich die Themen im ersten Moment scheinen, für Kwairanga sind sie eng miteinander verbunden. Denn mit dem schrumpfenden See haben viele Fischer ihre Arbeit verloren. Alternativen gibt es kaum. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung rasant - Experten gehen von einem Zuwachs von etwa 2,45 Prozent jährlich aus.
Kwairanga schätzt deshalb, dass sich zumindest einige ehemalige Fischer oder junge Männer aus Fischerfamilien Boko Haram angeschlossen haben. Denn längst ist bekannt, dass deren Anhängerschaft nicht nur aus religiösen Fanatikern besteht, sondern oft aus jungen Leuten, die keine Perspektiven haben. Von Terrornetzwerken erhoffen sie sich Aufstiegschancen.
Der Kameruner Christopher Fomunyoh fordert daher Maßnahmen, um jungen Menschen eine Zukunft zu ermöglichen. Regierungen müssten "Möglichkeiten schaffen, damit diese ein sinnvolles Leben führen können". Fomunyoh ist Regionaldirektor für West- und Zentralafrika des Nationalen Demokratie-Instituts (NDI) mit Sitz in Washington. Gelinge das nicht, könnten junge Menschen sich leicht von Terrorgruppen angezogen fühlen. Dieses Problem spiele "auch bei der Al-Shabaab am Horn von Afrika eine Rolle sowie im Norden von Mali."
Dort hat sich schon vor Jahren AQMI, der westafrikanische Flügel des Terrornetzwerks Al-Kaida, ausgebreitet. Im Zuge der jüngsten Tuareg-Revolution, die im Jahr 2011 begann, splitterten sich ver-chiedene lokale Terrorgruppen ab. Wie einflussreich etwa Ansar Dine (Verfechter des Glaubens) ist, zeigen die aktuellen Anschläge: Anhänger dieser Miliz bekannten sich sowohl zu der Geiselnahme in der Hauptstadt Bamako vor knapp zwei Wochen als auch zum Anschlag auf einen UN-Stützpunkt in Kidal. Insgesamt starben dabei 23 Menschen.
Das wirkt sich indirekt auch auf das Öko-System im Nachbarland Burkina Faso aus. Dort leben nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) aufgrund der aktuellen Mali-Krise mehr als 34.000 Flüchtlinge. Viele sind rund um die Provinzhauptstadt Djibo im Nordwesten untergekommen, dicht an der malischen Grenze. Es ist die Heimat von Saidou Hassane, der für verschiedene nichtstaatliche Organisationen wie "Eau Vive" arbeitet.
"Die Menschen sehen sich mit großen Problemen rund um das Land, aber auch um den Zugang zu Wasser konfrontiert", sagt er. Die Menschen in Burkina Faso betrieben in dieser Region vor allem Landwirtschaft und hielten Nutztiere, die einzigen Einnahmequellen vor Ort. Die malischen Flüchtlinge seien teilweise jedoch ebenfalls mit großen Viehherden gekommen. In einer Region, in der Wasser als knappes Gut gilt und der Regen nur selten fällt, sorgt das für Konflikte.
Burkina Faso ist bislang von Anschlägen verschont geblieben. Trotzdem gilt der Norden für internationale Organisationen als Risiko-Zone. Das bedeutet: Hilfsprojekte werden immer weiter zurückgefahren. Dabei sind sie nötiger als je zuvor. Ob sich das durch die UN-Klimakonferenz in Paris ändern wird, weiß Hassane nicht. "Wir hoffen es sehr", sagt er und lächelt. "Es gibt zwar viele interessante Diskussionen. Wie sich diese jedoch auf die Region auswirken, das wissen wir nicht".
(KNA - plmkn-89-00014)
Auf unserer Hauptseite finden Sie weitere Informationen zu den Themen interreligiöser Dialog und christlich islamischer Dialog.