Christen zwischen weihnachtlicher Friedensbotschaft und Gewalt
KNA 22.12.2015
Bibel und Schwert
Christen zwischen weihnachtlicher Friedensbotschaft und Gewalt
Von Christoph Arens (KNA)
Bonn (KNA) "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens." Das Lukas-Evangelium macht Weihnachten zum Friedensfest, und der Prophet Jesaja nennt Jesus "Friedensfürst". Eine Religion des Friedens? In Zeiten des islamistischen Terrorismus wird auch das Christentum durchleuchtet. Etwa in der im Oktober erschienenen Studie "Heiliger Krieg. Gewalt im Namen des Christentums" des renommierten Mittelalter-Experten Philippe Buc. Er zeichnet eine Gewaltgeschich-te des christlichen Westens und sucht nach Mustern heiliger Kriege auch in der Moderne. Schon in den 1990er Jahren hatte der Ägyptologe Jan Assmann die These aufgestellt, der Glaube an den einen Gott habe Unterscheidungen wie Freund und Feind oder wahr und falsch zugespitzt - Denkmuster, die dann oft zu Gewalt gegen Andersgläubige führten.
Keine Frage: In der Geschichte des Christentums findet sich eine Blutspur von Intoleranz und Grau-samkeit - von der Zwangsmissionierung der Sachsen bis zu Ketzerverfolgung, Kreuzzügen und Reli-gionskriegen. Allerdings verweisen Theologen wie der Münsteraner Kirchenhistoriker Arnold Angen-endt darauf, dass sich das Christentum immer wieder selbst infrage gestellt und damit auch Maßstä-be geliefert habe, um die eigenen "Todsünden" zu verurteilen. Zusätzlich gezähmt von Renaissance, Aufklärung und Moderne, hätten sich die Kirchen zu religiöser Toleranz durchgerungen.
"Toleranz und Gewalt" hat Angenendt sein 2007 erschienenes Standardwerk über "Christentum zwischen Bibel und Schwert" überschrieben. Assmann hält er entgegen, dass der Monotheismus auch zu einer "Vergeistigung" geführt habe, die "erst das geschaffen hat, was wir heute Gewissen nennen". "Glauben kann der Mensch nur freiwillig", zitiert Angenendt den heiligen Augustinus. Zudem habe sich das frühe Christentum durch Pazifismus ausgezeichnet. Erst mit dem Bündnis von Thron und Altar sei Gewalt zum Problem geworden: Denn schon in vorchristlicher Zeit bestrafte der Staat dieje-nigen mit dem Tod, die vom Glauben abfielen. Dadurch sollte Gottes Zorn besänftigt und Schaden von der Gesellschaft abgehalten werden, so Angenendt. Das Christentum habe dies anfangs noch eindämmen können - mit der Berufung auf die Empfehlung Jesu, das Unkraut mit dem Weizen groß werden zu lassen. Der Staat der frühen Neuzeit aber habe die Inquisition selbst betrieben.
Nach der Jahrtausendwende nahmen Ketzerverfolgungen zu. Kirchliche Inquisition und weltliche Justiz arbeiteten auch bei den Hexenprozessen zusammen: Häufig seien es die weltlichen Eliten gewesen, die die Verfolgung verschärft hatten, so Angenendt. Seit dem Mittelalter konzentrierte sich der Kampf nicht mehr nur auf die Abweichler im Innern, sondern auch auf vermeintliche Feinde außerhalb. Der Missionsauftrag des Evangeliums wurde als Auf-forderung interpretiert, Heiden notfalls mit Gewalt zum Heil zu zwingen. Muslime und Juden wurden Opfer der Kreuzzüge.
Der Münsteraner Historiker Gerd Althoff weist Papst Gregor VII. (1025-1085) eine entscheidende Rolle für die religiös motivierte Gewalt im Christentum zu: "Für das Töten im Dienste und im Auftrag der Kirche stellten die Päpste Belohnung in Aussicht, die die Aufnahme in den Himmel ermöglichte." So argumentierte ein enger Vertrauter Gregors, diejenigen, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung ausübten, seien ebenso seligzupreisen wie die, die sie um der Gerechtigkeit willen erlitten.
Erst im Zuge der Religionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts setzte sich die Erkenntnis durch, dass Frieden nur unter Verzicht auf gewaltsame Durchsetzung des eigenen Glaubens möglich war. Allerdings kennt auch die Neuzeit Beispiele für die Rechtfertigung der Gewalt durch Religion. Buc argumentiert, dass sowohl George W. Bush im Irak-Krieg als auch die Aktivisten der französischen und der russischen Revolution sowie die Terroristen der Rote Armee Fraktion religiöse Denkmuster kopierten, um Gewalt zu rechtfertigen. Sie handelten im Namen eines künftigen weltlichen Paradieses. Sie wollten anderen mit Zwang die Freiheit bringen: die Freiheit der Menschenrechte, die Freiheit von Sünde oder von Tyrannen.
(KNA - plmmm-89-00081)
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