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  Theologe Manemann: Dschihadismus ist "faschistisches Syndrom"

 

KNA 09.12.2015

 

Wien/Hannover (KNA) Der Theologe und politische Philosoph Jürgen Manemann sieht den so ge-nannten Heiligen Krieg nicht als Phänomen "von außerhalb", aus dem Nahen Osten. Dschihadismus gedeihe "in der Mitte unserer Gesellschaft; dort, wo Menschen Orientierungslosigkeit existenziell erfahren, wo sie ihren Halt verlieren", sagte Manemann im Interview der Presseagentur "Kathpress". Nur so lasse sich erklären, warum sich so viele junge Europäer dem IS angeschlossen haben, darunter allein 700 aus Deutschland.

Die Biografien gerade der Konvertiten unter den IS-Kämpfern zeigten, dass sie aus Milieus stammen, in denen kaum Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe bestehen, so der Leiter des Forschungsinstituts für Philosophie in Hannover. "Viele Dschihadisten haben Diskriminierungserfahrungen gemacht; das heißt, wir müssen uns intensiver mit Rassismusfragen befassen", forderte der Philosoph.

 

Die Dschihadisten seien unfähig, "eine Identität auszubilden, die in einem Mitgefühl für andere Menschen gründet". Extreme Gewalt dieser Art kenne man sonst "nur aus faschistischen Systemen". Daher sei Dschihadismus auch ein "faschistisches Syndrom", so Manemann. Zugleich sei aufgrund der Gewaltfixierung zweifelhaft, dass der IS als politisches Projekt dauerhaft bestehen könne. Seine Organisationsstrukturen zielten darauf ab, "die Mobilisierung und den Kampf auf Dauer zu stellen".

 

Religion spielt bei militanten Islamisten aus Sicht Manemanns hingegen eine zweitrangige Rolle. "Dschihadismus kann man nicht ohne den Islam verstehen - aber der Islam ist nicht die primäre Motivationsressource." Europäer, die sich den Milizen anschlössen, seien zumeist Konvertiten; ihre Religiosität sei "so weit von den Quellen des Islam entfernt, dass man es als eigene, als neue Form der Religion bezeichnen" könne.

 

Um den IS zu besiegen, müsse man über Militärinterventionen hinaus der "Faszination Dschihad" unter europäischen Jugendlichen den Boden entziehen. Dabei spielten Fragen des Gemeinwohls und der politischen Teilhabe eine Rolle: "Junge Menschen müssen die Erfahrung machen, dass das Leben in dieser Gesellschaft nicht bloß so vonstatten geht, als ob man auf einer Rolltreppe steht, auf der es automatisch weitergeht, egal ob man etwas tut oder nicht tut." Die Jugendlichen müssten lernen, "dass man in der Lage ist, auf die Umwelt Einfluss zu nehmen".

(KNA - plmko-89-00096)

 


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