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KNA 02.12.2015
Shrehans neues Zuhause
Im Kloster Helfta leben jetzt 48 Flüchtlinge aus Syrien
Von Nina Schmedding (KNA)
Eisleben (KNA) Shrehan sagt nichts, ihre Worte werden hier nicht verstanden. Shrehan lächelt, als sie die Fremden mit einer freundlichen Handbewegung hereinbittet. In ihr Zuhause, ihr neues Zuhau-se - ein schmales Zimmer im Zisterzienserinnenkloster Helfta in Lutherstadt Eisleben, in dem sie mit Ehemann Mohamed und Tochter Amyna seit drei Wochen lebt, Tausende Kilometer entfernt von ihrer Heimat Syrien. Vor den Fenstern liegt der graue deutsche Dezembertag.
48 syrische Flüchtlinge, darunter 22 Kinder mit ihren Eltern, leben zur Zeit im Herrenhaus des Klos-ters im sachsen-anhaltinischen Eisleben. Der Landkreis Mansfeld-Südharz, der dringend Unterkünfte benötigte, pachtete es von der Klosterstiftung Sankt Marien. Priorin Christiane Hansen war es wich-tig, sich für die Geflüchteten einzusetzen. Also sagte die Ordensfrau dem Landkreis zu - auch gegen Vorbehalte aus den Reihen der Mitschwestern. Denn Ausländer sind in der Lutherstadt bisher eine Seltenheit. Sie fallen auf. "Die Menschen hier sind es nicht gewohnt, Ausländer zu integrieren", so Hansen.
Das Kloster Helfta wurde im 13. Jahrhundert gegründet und war einst als "Krone der Frauenklöster" berühmt. Seine Bauten waren zu DDR-Zeiten nationales Volksgut und verfielen daraufhin zusehends. Heute liegt die teils neu aufgebaute, teils sanierte Anlage am Rande der Stadt, mitten in einem Gewerbegebiet zwischen Auto- und Bauhäusern. Ein dem Kloster angegliedertes Hotel wurde in diesem Jahr geschlossen - es sei in "dieser Größenordnung schwer zu halten gewesen", erklärt Schwester Christiane. Ein Problem der Region: Die Arbeitslosigkeitsquote im Landkreis ist die höchste in Sachsen-Anhalt. Momentan liegt sie bei rund 14 Prozent.
Arbeiten und Geld verdienen - das wollen nicht nur die alteingesessenen Bewohner Eislebens, das wollen auch die Flüchtlinge. Ängste von Anwohnern, dass der Kampf um Arbeit nun noch schwieriger wird, kann Schwester Christiane deshalb gut verstehen. Trotzdem: Seitdem die Flüchtlinge da sind, scheinen die Vorbehalte weniger zu werden - die Spendenbereitschaft sei riesig. Und auch die skeptische Mitschwester habe bereits zugegeben, dass ihre Einwände nicht berechtigt waren, seitdem sie "gesehen hat, wie nett die syrischen Väter mit ihren Kindern umgehen oder dass sie beim Messbesuch in der Klosterkapelle ihre Handys ausschalten", erzählt die Priorin.
Nur eine Minderheit unter den neuen syrischen Klostermitbewohnern sind indes Christen; die meisten bekennen sich zum Islam. So wie Shrehan, zierlich mit dunklen Augen, die zu ihrem hellen Kopf-tuch einen türkisfarbenen Pullover trägt. Eine Moschee gibt es in Eisleben nicht, also betet die 20-Jährige täglich im sorgfältig aufgeräumten Zimmer, in dessen Ecken sich geschenktes Spielzeug für die dreijährige Tochter stapelt.
Aus der Gemeinschaftsküche, wo ein paar Frauen Mittagessen vorbereiten, riecht es nach gebratenem Fleisch, Pilzen und Tomaten. Arabische Wortfetzen dringen in Shrehans Zimmer herüber. Was sie in Deutschland machen will? Genauso wie die anderen Flüchtlinge im Kloster spricht sie weder Deutsch noch Englisch. Zimmernachbar Sipan Abed ruft deshalb seinen Bruder an. Dieser ist seit anderthalb Jahren in der Bundesrepublik und spricht so viel Deutsch, dass er per Telefon die Übersetzerdienste aus dem Arabischen übernimmt.
Deutsch lernen - Schwester Christiane nickt energisch mit dem grauhaarigen Kopf. Die Dänin, die seit 20 Jahren in Deutschland wohnt, weiß, dass ohne Sprachkenntnisse ein Leben in der Fremde nicht gelingen kann. Deshalb gibt sie den Flüchtlingen im Kloster jeden Morgen eine Deutschstunde - so lange, bis der Unterricht des Landkreises beginnt. Einstweilen sind die Klosterschilder mit arabischen Aufklebern versehen. Sie weisen den Flüchtlingen den Weg, wenn sie etwa in den Klostergarten wollen.
"Ja, Deutsch lernen möchte ich", sagt jetzt auch Shrehan und nickt eifrig. Gemeinsam mit ihrem Mann nimmt sie am Unterricht bei Schwester Christiane teil. Und danach? Shrehan zupft an ihrer Kleidung. "Schneiderin werden - das möchte ich am allerliebsten."
(KNA - plmkm-89-00140)
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