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Auf dem Weg zu einem Kernkonsens von Christen und Muslimen?



P. Christian W. Troll SJ

138 muslimische Autoritäten rufen auf zu christlich-muslimischer Versöhnung und Zusammenarbeit.

 

 

In der vierzehnhundertjährigen Geschichte der muslimisch-christlichen Beziehungen hat es eine solche Initiative noch nicht gegeben: 138 muslimische Führungspersönlichkeiten und Gelehrte haben zum diesjährigen Fest des Fastenbrechens einen gemeinsam unterzeichneten „Offenen Brief und Aufruf“ veröffentlicht. Die Regensburger Vorlesung des Papstes erweist sich trotz oder gerade wegen ihres provokativen Gehaltes als fruchtbar. Vor einem Jahr bereits hatten 38 muslimische Gelehrte an Papst Benedikt geschrieben. Nun scheint sich ein dauerhafter Dialog auf breiter Grundlage zu entwickeln. Der neue Brief richtet sich nicht nur an Papst Benedikt XVI, sondern auch an den Patriarchen der Orthodoxen Kirche von Konstantinopel, den Erzbischof von Canterbury und die Häupter der Lutherischen, Methodistischen, Baptistischen und Reformierten Kirchen. Der Titel “Ein uns und euch gemeinsames Wort“ ist dem bekannten Koranvers entnommen, der sich an die „Leute des Buches“, also Juden und Christen, wendet: „Kommt her zu einem zwischen uns und euch gleich angenommenen Wort: dass wir Gott allein dienen und ihm nichts beigesellen, und dass wir nicht einander zu Herren nehmen neben Gott“ (Q 3:64).

 

Der Aufruf vergleicht ausgewählte Textstellen des Koran und der Bibel und kommt zu dem Schluss, dass beide „den Vorrang umfassender Liebe und Hingabe gegenüber Gott“ sowie die Nächstenliebe betonen. Muslime und Christen, heißt es weiter, machten zusammen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung aus. Darum sei die Beziehung zwischen ihnen „der wichtigste Faktor im Hinblick auf einen echten Frieden weltweit“. „Als Muslime“, heißt es in dem Brief weiter, „ sagen wir den Christen, dass wir nicht gegen sie sind und dass der Islam nicht gegen sie ist – so lange wie sie nicht aus religiösen Gründen Krieg gegen die Muslime führen, sie unterdrücken und sie aus ihren Häusern vertreiben“ (vgl. Q 60:8). Und der Brief fügt an: „Denen, die dennoch Geschmack an Konflikt und Zerstörung um ihrer selbst willen finden oder die meinen, dass sie letztlich aus Konflikt und Zerstörung Gewinn ziehen, sagen wir: unsere unsterblichen Seelen selbst sind in Gefahr, sollten wir es versäumen, ehrlich und mit allen Kräften alles zu unternehmen um Frieden und Harmonie zu erreichen.“

 

Mit dieser Initiative schält sich so etwas wie eine „islamischen Ökumene“ heraus. Zu den Unterzeichnern gehören die Großmuftis von Bosnien und Herzegowina, von Russland, Kroatien, dem Kosovo und Syrien, der Generalsekretär der Organisation der Islamischen Konferenz, der frühere Mufti von Ägypten und der Gründer der Ulama Organisation im Irak, aber auch zwei Ayatollahs und weitere hochrangige schiitische, ibaditische und ismailitische Würdenträger und Gelehrte. Das königliche Aal al-Bayt Institut für Islamisches Denken in Jordanien ist der Impulsgeber, wie schon bei dem vorangegangenen Brief an den Papst. Einer der treibenden Intellektuellen hinter der beispiellosen Initiative, Dr. Aref Ali Nayed vom Interfaith Program an der Universität Cambridge (UK), sagt, es handle sich um „einen Konsens [der Muslime weltweit]“ und „einen Meilenstein“.

 

Unübersehbar fehlen Vertreter der islamistischen Richtung, etwa so gewichtige Namen wie Tariq Ramadan und Yusuf al-Qaradawi, beide dem Umfeld der Muslimbrüder zuzurechnen. Auch fehlt der Scheikh der einflußreichen ägyptischen al-Azhar-Universität, Muhammad Saiyid Tantawi. Dagegen sticht bei den sunnitischen Unterzeichnern die relativ starke Präsenz von Personen und Institutionen ins Auge, die der offiziellen saudischen Richtung zuzurechnen sind.

 

Kein Zweifel, der Brief der muslimischen Religionsführer und –gelehrten verdient wache Aufmerksamkeit, nicht zuletzt auf christlicher Seite. Für jemanden, der sich wie ich schon Jahrzehnte lang im religiösen Dialog der Christen und Muslime engagiert hat, ist schon der Versuch bemerkenswert, einen breiten Konsens unter muslimischen Führungspersönlichkeiten zu erreichen. Diese Anstrengung hat sicher nicht zuletzt das Ziel, dass der Islam im globalen Konzert weltanschaulicher Stimmen als eine distinkte und klar artikulierte Stimme vernommen und ernst genommen wird. Die Kirche kann das nur begrüßen, denn sie braucht qualifizierte Kritik von nichtchristlicher Seite. Wer die beeindruckende Liste der Unterzeichner aus allen Teilen der Welt und aus verschiedenen sozial-religiösen Kontexten liest, wird erkennen, dass es die islamische und die christliche Welt im Sinne geographisch abgrenzbarer Bereiche nicht mehr gibt. Christen und Muslime nehmen heute weltweit am Leben verschiedenartiger Gesellschaften und Staatsgebilde teil, die allesamt plural zusammengesetzt sind. Zunehmend werden selbst Gesellschaften wie die pakistanische und die saudische religiös plural. Der Brief der Gelehrten kann als eine tastende Anerkennung dieser Tatsachen gelesen werden. Die neue Runde im Dialog wäre dann auch ein positives Ergebnis der Globalisierung.

 

Die Gelehrten stellen die „allumfassende, konstante und aktive Liebe Gottes“ als das zentrale Gebot aller drei monotheistischen Religionen heraus. Das ist bemerkenswert, zumal das Schreiben dazu nicht nur Texte des Koran sondern auch der jüdischen und christlichen Bibel heranzieht. Seltsam berührt dann allerdings, wenn die Gemeinschaft der jüdischen Gläubigen, deren kurze Bekenntnisformel in Deuteronomium 6:4-6 das Schreiben selbst als den „Zentraltext des Alten Testaments und der jüdischen Liturgie“ bezeichnet und dem sich – richtig verstanden – sowohl das Neue Testament wie auch der Koran verdanken, in diesem Aufruf einfach übergangen wird. Kann es aber eine tragfähige muslimisch-christliche „Übereinkunft“ und eine fruchtbare Zusammenarbeit der Monotheisten auf der Basis des Doppelgebotes der Liebe geben - ohne Einbeziehung der jüdischen Gläubigen?

 

Allein die Tatsache, dass dieses Schreiben auf biblische Texte eingeht, die wortwörtlich autorisierten jüdischen und christlichen Bibelübersetzungen entnommen sind, ist Aufsehen erregend. Deutet sich hier etwa ein Bruch mit der klassischen muslimischen Lehre an? Nach dem Koran gelten die Heiligen Schriften der Juden und Christen ja eigentlich als Dokumente der „Korruption“ (tahrīf) der Überlieferung - mit der Folge, dass Muslime diesen Texten die Zuverlässigkeit absprechen und sie deshalb auch nicht als gemeinsame Grundlage für den Dialog anerkennen. Das Buch der Psalmen wird zum Beispiel von Muslimen weder liturgisch noch privat rezitiert, obwohl der Koran wiederholt von den Psalmen spricht, die David gegeben wurden (vgl. Q 4:163; 17:55). So darf gefragt werden: Suchen die Autoren des Schreibens die aus der Bibel zitierten Texte wirklich aus ihrem eigenen, genuin biblischen, näheren und weiteren Kontext zu verstehen und zu interpretieren? Oder könnte es sein, dass diese im Schreiben zitierten biblischen Texte von den muslimischen Autoren nur insofern als autoritativ akzeptiert und zitiert werden, weil sie vermeintlich mit dem Koran ganz und gar identische Aussagen machen? Die zitierten biblischen Texte wären dann für Muslime und alle übrigen Menschen deshalb als offenbart und damit normativ zu akzeptieren, weil und sofern sie genau dasselbe sagen wie die entsprechenden Texte des Koran. Wie dem auch sei, die eben erwähnte für das jüdisch-christlich-muslimische Gespräch äußerst wichtige islamische Lehre von der willentlichen Veränderung der biblischen Texte durch Juden und Christen wird in diesem Schreiben weder erwähnt, noch explizit modifiziert.

 

Vor allem aber: Auch für dieses Schreiben und seine Autoren bleiben Muhammad, sein Leben und seine Auslegung der koranischen Weisungen Gottes (ahkam) der absolute Maßstab für die korrekte Auslegung des Kerngebots von Gottes- und Nächstenliebe. Mit anderen Worten, Muhammads spezifische Weise, das Kerngebot der Liebe des einen Gottes und des Nächsten zunächst in Mekka und dann in Medina in die Praxis zu übersetzen, bleibt unbedingt maßgebend für die Muslime heute, sofern sie nach seinem Vorbild ihr individuelles und kollektives Leben gestalten. Die islamischen Gelehrten entnehmen das Motto ihres Briefes einer relativ frühen medinensischen Sure (meist in die Jahre 624-625 datiert). Sie stellen sich aber nicht dem Problem, wie die einladende Haltung dieses Verses mit der unduldsamen Haltung späterer Suren (vgl. vor allem Sure 9) zu vereinbaren sei. Auch wenn die Theologen sich über die zentrale Bedeutung des Doppelgebots der Liebe in den drei Religionen einigen könnten, wären weiter massive Differenzen substantieller Art zu erwarten, wenn es um die Umsetzung dieses Kerngebots in die konkreten Lebenswelten pluraler Gesellschaften im Hier und Jetzt geht. Denken wir nur an Fragen wie die des Umfangs und der Stellung der Scharia, der Menschenrechte und des Verhältnisses von Staat und Religion. Bietet das Kerngebot der Gottes- und Nächstenliebe allein tatsächlich schon eine tragfähige Basis für ein friedliches und harmonisches Leben in Verschiedenheit?

 

Es trifft sich, dass fast gleichzeitig mit dem Schreiben der 138 muslimischen Autoritäten die Botschaft des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog an die Muslime veröffentlicht worden ist. In diesem Jahr lautet ihr Thema: Christen und Muslime: aufgerufen, eine Kultur des Friedens zu fördern. Die jährlichen Botschaften des päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog „an die lieben muslimischen Freunde“, die seit 1967 jährlich anlässlich des Fest des Fastenbrechens veröffentlicht worden sind, gehören sicherlich einer anderen literarischen Gattung an als der „Offene Brief“ der 138 muslimischen Führer. Allerdings darf man davon ausgehen, dass der Autor der diesjährigen Botschaft, Jean-Louis Kardinal Tauran, den der Papst erst vor einigen Monaten zum neuen Präsidenten des Rates ernannt hat, nicht nur die Positionen des Zweiten Vatikanischen Konzils sondern auch die besonderen Akzentsetzungen Benedikts XVI zum Ausdruck bringt. Der Kardinal spricht im Namen der katholischen Weltkirche, einer Gemeinschaft, deren Mitgliederzahl der Zahl der Muslime in etwa entspricht und die ebenso wie die Gemeinschaft der Muslime in virtuell allen Ländern der Erde vertreten ist.

 

Kardinal Tauran betrachtet das Verlangen nach „freundschaftlichen und konstruktiven Beziehungen“ als solchen und nicht diese oder jene Auswahl von Texten der jeweiligen Heiligen Schriften von Juden, Christen und Muslimen als gemeinsamen Ausgangspunkt. Die Heiligen Schriften nehmen im Glauben der Christen und Muslime einen verschiedenen Stellenwert ein und werden von ihnen jeweils recht verschieden interpretiert. Tauran betont die Bedeutung des „Planes des Schöpfers“, d.h. der vernunftgemäßen Gesetze und Strukturen, die nicht nur Christen und Muslime sondern grundsätzlich jeder Mensch wahrnehmen kann. Diesem „Plan“ entsprechen in unserem Zusammenhang Werte wie etwa: Dienst an den Schwestern und Brüdern, Solidarität und Brüderlichkeit „mit den Mitgliedern der anderen Religionen und mit allen Menschen guten Willens“. Hier wird auch auf den Auftrag an alle hingewiesen, für den Frieden zu arbeiten, auf dem Weg über „Achtung der persönlichen und gemeinschaftlichen Überzeugungen eines jeden einzelnen“ sowie mittels der „Freiheit der Religionsausübung, die sich nicht auf die einfache Kultfreiheit einschränken lässt“ und die als Teil der Gewissensfreiheit jeder Person zusteht und einen Eckpfeiler der Menschrechte darstellt. Es ist erfreulich, wenn islamische Theologen die Bibel im Geiste der Gemeinsamkeit zitieren. Wenn sich jedoch zugleich die Lage der Christen in vielen islamisch mehrheitlichen Ländern verschlechtert und ihre Religionsfreiheit weiter eingeschränkt wird, zeigt sich, wo die wahren Herausforderungen für das Leben in einer auch religiös globalisierten Welt liegen.

 

Der Aufruf des Kardinals weist auf die Bedingung der Möglichkeit für jegliches gerechte, friedliche und gegenseitig respektvolle Leben in kultureller und religiöser Verschiedenheit hin: die Unterscheidung und Trennung des staatlich-politischen vom religiösen Bereich. In diesem Sinn sieht der Päpstliche Rat für den Dialog Christen und Muslime aufgerufen, aus dem Kern ihrer jeweiligen Glaubensvision heraus ihren Beitrag zur Herausbildung und Stärkung des „Gemeinwohls“ der pluralen, demokratischen, den Menschenrechten verpflichteten, säkularen (im Sinne von religiös neutralen) Gesellschaft zu leisten. Denn: Wie wertvoll auch immer eine theologische Übereinstimmung in Fragen des Doppelgebots der Liebe sein mag, allein für sich genommen kann es ein gerechtes und friedliches Zusammenleben in Verschiedenheit kaum garantieren.

 

Der Text erschien in der Wochenzeitung "Die Zeit" vom 18.10.2007.


Towards common ground between Christians and Muslims?

138 Muslim religious leaders call for reconciliation and cooperation with Christians

Muslim-Christian relations are 1,400 years old but within that long history there has never yet been an initiative like this: on the occasion of this year’s Eid, the end of the month of fasting, 138 Muslim religious leaders and scholars signed and published an ‘Open Letter and Call’. Despite – or even because of – its provocative contents the Pope’s Regensburg lecture appears to be bearing fruit. A year ago 38 Muslim scholars wrote to Pope Benedict but now a more enduring, more widely based dialogue appears to be developing. The new letter is addressed not only to Pope Benedict XVI but also to the Orthodox Patriarch of Constantinople, the Archbishop of Canterbury and the leaders of the Lutheran, Methodist, Baptist and Reformed Churches. The title – ‘A Common Word between Us and You’ – is drawn from a famous verse of sura 3:64, addressed to Jews and Christians (referred to here as ‘People of the Scripture’).

The letter compares selected Qur’anic and Biblical texts and comes to the conclusion that both scriptures emphasize ‘the primacy of total love and devotion to God’ together with love of neighbour. Muslims and Christians, it goes on, make up more than half of the world’s population. The relationship between them is therefore “the most important factor in contributing to meaningful peace around the world.” “As Muslims, we say to Christians that we are not against them and that Islam is not against them – so long as they do not wage war against Muslims on account of their religion, oppress them and drive them out of their homes”(cf. sura 60:8). The letter adds: “To those who nevertheless relish conflict and destruction for their own sake or reckon that ultimately they stand to gain through them, we say our very eternal souls are all also at stake if we fail to sincerely make every effort to make peace and come together in harmony.“

With this initiative, we see the emergence of something like an intra-Islamic ecumenical movement. Amongst the signatories are the Grand Muftis of Bosnia & Herzegovina, Russia, Croatia, Kosovo and Syria, the Secretary-General of the Organization of the Islamic Conference, the former Grand Mufti of Egypt, and the founder of the Ulema Organization in Iraq. However, there are also two Ayatollahs and further senior Shi‛ite, Ibadi and Isma’ili dignitaries and scholars. As with the earlier letter to the Pope, this unique initiative was taken by the Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought in Jordan. One of the leading intellectuals behind it, Dr Aref Ali Nayed of the Cambridge University Interfaith Programme, describes the letter as ‘a consensus [of Muslims around the world]’ and ‘a milestone’.

Some names are notable for their absence, including those of Yusuf al-Qaradawi and especially Tariq Ramadan, both associated in different ways with the Muslim Brotherhood. Also missing is Muhammad Saiyid Tantawi, the Sheikh of al-Azhar, the influential Sunni institution in Cairo. On the other hand, among the Sunni signatories one is struck by the relatively strong Saudi presence.

This letter from Muslim leaders and scholars undoubtedly deserves careful attention, not least on the part of Christians. For someone such as myself, who has been engaged for decades in religious dialogue between Christians and Muslims, it represents a remarkable attempt to reach a broad consensus among leading Muslim figures. This effort certainly has among its aims that Islam should be taken seriously as a distinct and clearly articulated voice at a global level. Reading the impressive list of signatories from all parts of the world and from various socio-religious contexts reminds one that there are no longer separate Islamic and Christian worlds in the sense of geographically distinct areas. Around the world today Christians and Muslims take part in the life of diverse and thoroughly plural societies and states, amongst which must be included societies such as Pakistan and Saudi Arabia. The scholars’ letter can be read as a tangible recognition of this fact. The new phase in dialogue of which it is a part can thus be seen as a positive outcome of globalization.

The scholars set forth „all-embracing, constant and active love of God“ as the central command of all three monotheistic religions. It is notable that the document draws not only on texts from the Qur’an, but also from the Hebrew and Christian scriptures. It is therefore strange that in this appeal there is no mention of the community of Jewish believers, whose concise confession of faith in Deuteronomy 6:4-6 is cited by the document as „a centrepiece of the Old Testament and of Jewish liturgy“.

It is in itself a highly significant fact that this document includes a number of Biblical passages and comments positively on them. Does this indicate something of a break with Islamic doctrine, according to which the holy scriptures of the Jews and Christians (as they exist in their present form) are regarded as „corrputed“ either by falsification of the text or by distortion of the meaning of the text (tahrif al-nass; tahrif al-ma‛na)? As a consequence of this view, the great majority of Muslims have hitherto regarded the text of the Bible (in its present form) as unreliable, have generally taken little interest in its contents (except, in some cases, for polemical purposes) and have not recognized it as a shared basis for dialogue. For example, the Book of Psalms is not read by Muslims either in public liturgy or in private devotion, despite the fact that the Qur’an repeatedly speaks of the Psalms which were given by God to David (cf. Qur’an 4:163; 17:55). So one naturally asks whether the authors of this document are seeking to understand the biblical texts which they have cited in their own authentically biblical context, which includes both the immediate context of any particular text and also the wider context of the whole Bible. Or could it be that these biblical texts are only accepted and quoted by the Muslim scholars in so far as they correspond with the message of the Qur’an? Be that as it may, the Islamic doctrine of the intentional alteration of the Biblical text by Jews and Christians, which is extremely significant for Jewish-Christian-Muslim dialogue, is neither mentioned nor explicitly modified in this document.

A crucial point to bear in mind is that for this document and its authors the absolute criterion for the correct understanding of love for God and neighbour lies in Muhammad, his life and his interpretation of the divine commanmdents found in the Qur’an. In other words, the specific way in which love of God and neighbour were put into practice by Muhammad, first in Mecca and then in Medina, remains absolutely decisive for Muslims today, in so far as they shape their individual and collective life following his example. In this regard, a fuller consideration of Muhammad’s approach to Jews and Christians than was offered in this document would have to discuss the increasing tensions of his later years, as reflected in passages of the Qur’an such as sura 9.

We should also mention here the Qur’anic passage which is the source of  the document’s title – ‘A Common Word between Us and You’. This phrase is drawn from a famous verse addressed to Jews and Christians (referred to here as ‘People of the Scripture’):

‘Say: O People of the Scripture! Come to a common word between us and you: that we shall worship none but God, and that we shall ascribe no partner unto Him, and that none of us shall take others for lords beside God. And if they turn away, then say: Bear witness that we are they who have surrendered (unto Him)’ (sura 3:64).

 

In the context of Muslim-Christian dialogue it is especially important to reflect on the requirement here that ‚none of us shall take others for lords beside God’. Much Muslim commentary, classical and modern, has seen in these words criticism of Christian belief in the divity of Jesus. Moreover, this interpretation appears to be in line with a number of other Qur’anic passages insisting that Jesus was a human messenger of God and in no sense divine (3:59, immediately before the text in question; 4:171; 5:75; 9:31; 19:34-5). It is therefore striking that the Open Letter cites a much less polemical approach taken by al-Tabari, an authoritative early commentator on the Qur’an, to the effect that ‚Muslims, Christians and Jews should be free to each follow what God commanded them, and not have „to prostrate before kings and the like“’ (p. 14). One might ask, however, what al-Tabari imagined God had commanded Christians to do – not, presumably, to worship Jesus?

Of course, Muslims and Christians (together with Jews) agree that only God should be worshipped, but we disagree in our views of Jesus Christ, and this disagreement has profound implications for how God is understood and worshipped. For Christians Jesus is both fully human and fully divine; the most basic confession of Christian faith is ‚Jesus Christ is Lord’. Furthermore, the Holy Spirit is also known by Christians as ‚the Lord, the giver of life’; God is thus known and worshipped as Father, Son and Spirit. So it is important for Muslims approaching dialogue with Christians to understand that this trinitarian monotheism is central to Christian belief and worship and is not an aspect of Christianity that can be negotiated away. In this regard there are some slight ambiguities in the Open Letter, moments at which a Christian might feel that it is suggesting that there are no fundamental differences between the theologies of the two faiths, or at least that these differences do not really matter. While the warm, inviting tone of the Open Letter’s appeal to Christians is enormously encouraging, it is to be hoped that this can be held together with an approach which takes utterly seriously the points at which Christians and Muslims differ and does not encourage a diplomatic evasion of these points for the sake of a dialogue which would suffer as a result.

Another point to raise here is that even if theologians from the three faiths could agree on the central meaning of the double love-commandment, there would still be enormous practical differences to consider when it comes to putting into effect these commandments in the concrete, here-and-now reality of plural societies. One has only to think of questions such as the imposition of Shari‘a, human rights and the relationship between state and religion. Does the double commandment to love God and neighbour on its own truly provide an adequate basis for peaceful and harmonious co-existence in diverse societies?

It so happens that at almost the same time as the Open Letter was published the Pontifical Council for Interreligious Dialogue ( = PCID) released its annual message to Muslims. This year, its theme was Christians and Muslims: called to promote a culture of peace. The annual messages of the PCID ‘to our dear Muslim friends’, which, since 1967, have been published annually on the occasion of Eid, of course belong to a quite different literary form from that of the Open Letter. Nevertheless, we can assume that the author of this year’s message, Cardinal Jean-Louis Tauran, named by the Pope a few months ago as the new President of the Council, expresses not only the outlook of the Second Vatican Council but also the particular emphases of Benedict XVI. The Cardinal speaks in the name of the worldwide Catholic Church, a community which roughly corresponds in size to the Muslim community and which is also like the Muslim community in being established in virtually all the nations of the world.

Cardinal Tauran reflects upon the longing for „friendly and constructive relationships“ as such. He does not not work from the basis of this or that selection of texts from Jewish, Christian and Muslim scriptures, perhaps because the scriptures occupy a different place within Christianity and Islam and are also so variously interpreted. Tauran emphasizes the significance of the „the Creator’s plan“, that is the rational laws and structures which can be accepted not only by Christians and Muslims but fundamentally by all people. This plan includes values such as: service of our sisters and brothers and fraternal solidarity „with members of other religions and all men of good will“. The message also points to the challenge set before us all to work for peace „by showing respect for the convictions of individuals and communities everywhere“ and by respecting the right to „religious freedom, which must not be reduced to mere freedom of worship“ but rather is „one of the essential aspects of freedom of consience, which is the right of every individual and a cornerstone of human rights.“ So although it is to be welcomed when Islamic theologians seeking common ground with Christians quote the Bible in a positive spirit, we must also recall the deteriorating situation and increasingly limited religious freedom of Christians in many Muslim majority countries. And of course in other contexts Muslim and indeed other religious minorities also suffer intolerance. We are thus reminded that the world is now also globalized in religious terms and that there are many challenges to overcome if believers of different traditions are to live together in harmony.

The Cardinal’s appeal points to the necessity of the distinction and separation between the political order and the religious sphere if cultural and religious diversity is to flourish within a just and peaceful society marked by mutual respect. In this sense the PCID sees Christians and Muslims as called to make their respective contributions (inspired by their respective faiths) to the formation and strengthening of the ‘common good’ in plural and democratic societies, societies which are secular (in the sense of being religiously neutral) and which are committed to the human rights of all their members. For however valuable it may be to achieve theological agreement over the question of the double love-commandment, on its own this can hardly guarantee just and peaceful co-existence within diversity.

 


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