Böckenförde widerspricht Wulff in Islamdebatte
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Prof. Dr. Ernst-Wolfgang Böckenförde
Foto: © Picture-Alliance, Privat
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KNA 3.11.2010
Frankfurt (KNA) Der Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde hat Bundespräsident Christian Wulff in der Islamdebatte widersprochen. Er halte Wulffs Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland, für unangemessen, sagte der frühere Bundesverfassungsrichter in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ (Dienstag). Es wäre besser gewesen, zu sagen: „Die Muslime hier gehören zu Deutschland.“
Zur Begründung sagte Böckenförde, dieser Satz beziehe „sich auf Menschen, die hier leben mit dem Glauben, den sie haben und den sie auch ausüben dürfen“. Das bedeute aber noch lange nicht, „den Islam, den die Muslime im Gepäck mitgebracht haben als Religion mit recht diffusem Lehrgebäude, sogleich als Teil unseres Landes anzuerkennen“.
Die Forderungen nach einer Leitkultur hält der Jurist dagegen für untauglich. Vielmehr gehe es um die Verpflichtung des Bürgers auf die im Grundgesetz formulierten Prinzipien: „Ein Niederschlag dessen, was in diesem Sinne Leitkultur ist, findet sich im Grundgesetz mit seinen Freiheitsgewährleistungen.“
Leitkultur bedeute, die Pluralität der Lebensformen anzuerkennen und zu achten. „Wenn uns das gelingt, kann auch die Integration gelingen. Denn Freiheit ist ansteckend.“ Mit Blick auf die aktuelle Integrationsdebatte betonte der Rechtsphilosoph eine umfassende Verpflichtung des Bürgers auf die geltenden Gesetze. Böckenförde hält einen „Verfassungseid“ für denkbar, er solle aber nicht allein auf Migranten beschränkt werden: „Eine feierliche Verpflichtung auf Verfassung und Gesetze im Rahmen einer Einbürgerungszeremonie halte ich für sehr überlegenswert. Ein solcher Akt, unabhängig davon, ob man ihn in Eidesform kleidet, wäre für die Neubürger wie die Herkunftsdeutschen das Signal: Ihr gehört jetzt dazu.“ Für die Herkunftsdeutschen könne man analog eine Art Bürgerverpflichtung mit Erreichen der Volljährigkeit einführen.
(KNA - lkllkm-BD-0926.07VU-1)
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