Aleviten als Glaubensrichtung in Österreich anerkannt
KNA 23.12.2010
Wien (KNA) Die Aleviten in Österreich sind vom Bildungsministerium in Wien als religiöse Bekenntnisgemeinschaft anerkannt worden. Der Anerkennung als „Islamisch Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IAGÖ)“ war ein langwieriges Rechtsverfahren vorausgegangen, das landesweit für Aufsehen sorgte. Die Anerkennung als Bekenntnisgemeinschaft stellt für die laut Schätzungen rund 60.000 Aleviten in Österreich einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur vollen Anerkennung als eigene Religionsgesellschaft dar; die Aleviten bilden von nun an eine eigene Konfession.
Bei der Angabe ihres religiösen Bekenntnisses in offiziellen Dokumenten und Formularen können sie sich nun als islamische Aleviten deklarieren und müssen nicht Muslime oder „ohne Bekenntnis“ angeben. Das Recht, eigenen Religionsunterricht zu erteilen, ist allerdings an die Anerkennung als Religionsgesellschaft gebunden.
Juristisch wurde der Weg frei durch ein Urteil des österreichischen Verfassungsgerichts Anfang Dezember. Es hatte das Vorgehen des Kultusministeriums für verfassungswidrig erklärt, das zunächst den Antrag auf Anerkennung abgewiesen hatte. Die Begründung zur Ablehnung lautete, in Österreich gebe es bereits die „Islamische Glaubensgemeinschaft“. Eine weitere Gemeinschaft von Anhängern des Islam könne daher nicht bestehen. Das Verfassungsgericht stellte hingegen fest, in einschlägigen österreichischen Gesetzen gebe es keinen Hinweis darauf, dass es nur eine einzige islamische Religions- beziehungsweise Bekenntnisgemeinschaft geben dürfe. Im Gegenteil verletze eine solche Ansicht das Recht auf Religionsfreiheit der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Die Aleviten in Österreich sind untereinander zerstritten. Daher reagierte die „Föderation der Aleviten-Gemeinden in Österreich“ zurückhaltend auf die Anerkennung des „Kulturvereins der Aleviten in Wien“ als Bekenntnisgemeinschaft. Der Kulturverein vertrete nicht alle Aleviten in Österreich; vertretungsberechtigt sei ausschließlich die Föderation, hieß es. Zudem proklamiere die Eintragung als „Islamisch Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ das Alevitentum als „eine weitere islamische Konfession“. Damit werde jedoch die „Eigenständigkeit der alevitischen Glaubenslehre verleugnet“, so eine Erklärung der Föderation. Hinter der Doppelstruktur der Aleviten steht ein langer Streit um das religiös-theologische Verhältnis zum Islam und entsprechend zur Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ).
Die fünf Säulen des Islam - Glaubensbekenntnis, Gebet, Pilgerfahrt nach Mekka, Fasten, Almosensteuer - teilen die Aleviten nicht zur Gänze. Auch haben sie keine Moscheen und Imame und kennen keine Kopftücher für Frauen. Das Alevitentum hat einen eigenen Jahreskalender mit eigenen Festen. Der islamische Fastenmonat Ramadan ist ebenso wenig enthalten wie der „Haddsch“, die Pilgerreise nach Mekka. Auch das islamische Recht, die Scharia, wenden die Aleviten nicht an. Dafür betonen sie die Trennung von Staat und Religion. Die Sunna, die Überlieferung der Handlungen Mohammeds, hat für sie keine Bedeutung. In Österreich leben derzeit nach Schätzungen 60.000 Aleviten, fast die Hälfte davon in Wien. In Europa gibt es rund 2 Millionen, in der Türkei etwa 23 Millionen und weltweit etwa 80 Millionen Aleviten.
(KNA - lklmmm-BD-0935.07OI-1)
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