Bundesinnenminister de Maiziere trifft erstmals Imame
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Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU)
Foto: © bilder.cdu.de
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KNA 8.12.2010
Erst Randfiguren, jetzt Hoffnungsträger
Bundesinnenminister de Maiziere trifft erstmals Imame
Von Christoph Schmidt (KNA)
Bonn (KNA) Studien legen es immer wieder nahe: Besonders den tief Religiösen unter den muslimischen Migranten fällt die Identifikation mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft schwerer als jenen, die nur selten die Moschee besuchen. Für die Bundesregierung bestätigen derartige Resultate, dass sie die Rolle der Imame zu Recht ins Zentrum ihrer Integrationspolitik stellt. Das Thema steht auch auf der Tagesordnung eines Hintergrundgesprächs, zu dem der Gastgeber der Deutschen Islam Konferenz, Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU), an diesem Mittwoch 15 Muslime nach Bonn eingeladen hat. Jeweils ein Vertreter und zwei Imame der fünf in der Konferenz mitwirkenden Verbände sollen dabei ihre Vorstellungen einer islam- und grundgesetzkonformen Theologenausbildung erläutern.
Jahrzehntelang kaum wahrgenommen, gelten die Imame inzwischen als Schlüsselfiguren und Hoffnungsträger für die Integration. Etwa 2.000 von ihnen sind in Deutschland aktiv. Der Osnabrücker Religionswissenschaftler und Imamexperte Rauf Ceylan schätzt, dass die Vorbeter jede Woche eine halbe Million Muslime in ihren Freitagspredigten erreichen. Hier liege ein erhebliches Einflusspotenzial, denn das Wort der Prediger habe gerade bei Jugendlichen erhebliches Gewicht. Auf der anderen Seite gingen die angesprochenen Themen aber meist völlig an der Lebensrealität der Menschen vorbei, meint Ceylan. Kein Wunder, denn ein Großteil der Imame kommt in Kooperation mit den Islamverbänden aus der Türkei oder arabischen Ländern für wenige Jahre nach Deutschland, ohne die hiesigen Verhältnisse zu durchblicken - ohne die Sprache zu können.
Extremistisch seien zwar die allerwenigsten, meint der Wissenschaftler. Doch überwiegend predigten sie einen heimatorientierten, streng konservativen Islam mit seiner Betonung auf Geschlechterhierarchie, traditionellen Männlichkeitsidealen und Vorbehalten gegenüber der Mehrheitsgesellschaft. An den öffentlichen Debatten könnten oder wollten sie sich nicht beteiligen; mit wichtigen Aufgaben wie Erziehungs- und Eheberatung, geschweige denn Dialogarbeit seien sie meist völlig überfordert.
Dagegen setzt die Bundesregierung verstärkt auf eine aktive Einbindung des Moschee-Personals in ihr Integrationskonzept. Statt ausländischer Vorbeter will man „Multiplikatoren“, die eine Brückenfunktion zwischen den Kulturen übernehmen und als kompetente Ansprechpartner dienen können. Im Zentrum steht dabei die künftige Ausbildung der Imame. Sie soll im kommenden Jahr mit dem bekenntnisorientierten Fach „Islamische Studien“ an den Standorten Tübingen, Münster und Osnabrück beginnen. Bis zum Frühjahr will die Deutsche Islam Konferenz zudem ein Modellkonzept zur Fortbildung von Imamen erarbeiten.
Bei dem nun anstehenden Gespräch dürfte Minister de Maiziere allerdings schnell klar werden, dass er es mit äußerst heterogenen Dialogpartnern zu tun hat. So erhält etwa der türkische, quasistaatliche Dachverband Ditib die Imame für seine rund 800 Moscheegemeinden ausschließlich von der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Die Skepsis von Ditib-Vertretern gegenüber einer Imamausbildung an deutschen Universitäten - angeblich aus Sorge um die wissenschaftliche Qualität - wich nur allmählich dem Einverständnis, dass der Islam damit ein Stück weit „in Deutschland ankommt“.
Dagegen bildet der Verein Islamischer Kulturzentren (VIKZ) sein Personal schon jetzt im Inland aus. Hierbei kritisierten wiederum Beobachter, dass der mystisch beeinflusste und zuweilen als sektenähnlich eingestufte Verband wenig Wert auf wissenschaftlich-reflexive Ansätze lege. Die große, gut integrierte Alevitische Gemeinde (AABF) dürfte sich darüber beklagen, dass ihr - obwohl anerkannte Religionsgemeinschaft - als islamischer Sondergruppe bisher kein eigener Ausbildungs-Lehrstuhl zugedacht ist. Und der bosnische und marokkanische Verband stehen mit ihrer europäischen beziehungsweise nordafrikanischen Anhängerschaft ebenfalls für sehr unterschiedliche Varianten des Weltislam.
(KNA - lklmkq-BD-1638.34IE-1)
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