Mouhanad Khorchide wirbt für ein "humanistisches Islambild"
KNA 17.07.2013
Von Tjalke Weber (KNA)
Köln (KNA) Mit Islam verbinden viele Menschen in Deutschland vor allem strenge Glaubensvorschriften wie das Fasten im Ramadan oder den Verzicht auf Alkohol. Ein ganz anderes Bild entwirft Mouhanad Khorchide. "Islam ist Barmherzigkeit", betont der 1971 in Beirut geborene islamische Theologe, Soziologe und Buchautor. Am Dienstagabend wirbt er bei einem Podium in Köln für ein "humanistisches" Bild seiner Religion.
"Wir stellen uns Gott oft als archaischen Stammesvater vor", so Khorchide auf einer Veranstaltung im Kölner Domforum. Der Koran sei jedoch kein Gesetzesbuch, sondern ein "Liebesbrief an uns Menschen". Darin lade Gott die Gläubigen ein, seine Barmherzigkeit zu einer erlebbaren Wirklichkeit zu machen. "Gott hat uns aus Barmherzigkeit erschaffen und nicht aus Langeweile, weil er verherrlicht werden will", sagt der islamische Theologe. Das sehen längst nicht alle Muslime so. Auch in Deutschland gebe es fundamentalistische Strömungen, bedauert Khorchide. Die sozialen Strukturen der Bundesrepublik begünstigten jedoch ein gemäßigtes Islamverständnis: "In einer demokratisch geprägten Gesellschaft wie Deutschland streben die Menschen eher einen Dialog an", so Khorchide. "Sie denken Gott demokratisch und nicht als Diktator, dem man gehorchen muss." Gott dürfe durchaus kritisch hinterfragt werden; es gehe nicht darum, seine Befehle blind zu befolgen. Genau das verlangten aber viele Fundamentalisten, die den Koran allzu wörtlich auslegten.
Khorchide setzt dagegen auf eine aufgeklärte Lesart des Koran. "Wir dürfen Fundamentalisten nicht nur kritisieren, sondern wir müssen ein Gegenangebot schaffen, das menschenfreundlich ist statt menschenfeindlich." Diese Vorstellung soll auch den islamischen Religionsunterricht in den Schulen prägen. Durch objektiven und sachlichen Unterricht auf Deutsch lernten gerade Jugendliche den Islam neutral kennen und könnten sich dann ihr eigenes Urteil bilden.
Laut Khorchide gibt es derzeit 130 Religionslehrer für islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen. 80 Lehramtsstudenten seien derzeit an der Universität Münster, dem einzigen Studienort für islamische Religionspädagogik in NRW, eingeschrieben. Und zum nächsten Semester nehmen 100 weitere das Studium auf. Erst ein Anfang, denn landesweit werden 900 Lehrer benötigt. Das 2012 gestartete Unterrichtsangebot kommt nach Ansicht des Islamwissenschaftlers sehr gut an: "Muslime identifizieren sich stark mit ihrer Religion. Kinder und Eltern warten seit Jahren auf Islamunterricht."
(KNA - nkrlr-89-00070)
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