Ökumene und Religionsdialog wichtige Anliegen für neuen Papst
KNA 20.06.2013
Von Johannes Schidelko (KNA)
Vatikanstadt (KNA) Ein neuer Stil! Ein neuer Wind! Die meisten 100-Tage-Bilanzen zum neuen Papst stellen Äußerlichkeiten oder die charismatische Persönlichkeit von Franziskus in den Vordergrund. Jedoch zeichnen sich durchaus auch Konturen zu Inhalt und Programm des ersten Nichteuropäers auf dem Papstthron ab. Die großen Personalentscheidungen und Veränderungen an der Kurie lassen noch auf sich warten. Der 76-jährige Argentinier will darüber nicht im Alleingang, sondern nach Beratung durch die neu berufene Kardinalsgruppe entscheiden. Aber vor allem bei seinen täglichen Frühmessen und den Kurzansprachen mit griffigen Formulierungen zu vielen Aspekten des kirchlichen Alltaglebens zeigt Franziskus, wie er seiner Aufgabe als "Hirte" der Universalkirche nachkommen will.
Inhaltlich schließt Franziskus eng an seinen Vorgänger Benedikt XVI. an. Das gilt vor allem für die Ökumene oder den interreligiösen Dialog, die zu den Schwerpunkten seines Pontifikates gehören. "Unvermindert intensiv" sei das Bemühen um christliche Einheit, heißt es in den zuständigen Vatikanbehörden. Das betreffe das Interesse am theologischen Dialog, an gegenseitigem Verständnis sowie an praktischer Zusammenarbeit für die Menschheitsanliegen.
Schon am Tag nach der Amtseinführung lud der Papst die angereisten Vertreter anderer Kirchen und anderer Religionen zu einer großen Sonderaudienz ein - wie schon Benedikt XVI. im Frühjahr 2005. Er möchte Freundschaft und Respekt unter den Religionen fördern. Er habe den festen Willen, den Weg des ökumenischen Dialogs weiterzugehen, versicherte er. Denn das Bemühen um die Einheit der Christen sei für ihn "ein Dienst der Hoffnung für eine Welt, die immer noch durch Teilungen, Kontraste und Rivalitäten gezeichnet ist". Das Thema taucht immer wieder auf, etwa an diesem Mittwoch, als er in einem improvisierten Redeteil die Trennung der christlichen Konfessionen beklagte: "Wie viel Schaden haben kleingeistige Einzelinteressen der Kirche zugefügt! Spaltungen zwischen uns Katholiken, aber auch zwischen den christlichen Gemeinschaften".
Schon in den ersten Amtstagen führte Franziskus lange Gespräche mit dem orthodoxen Ehrenoberhaupt Patriarch Bartholomaios I. und auch mit dem Außenamtschef der größten orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion vom Moskauer Patriarchat. Der erste Deutsche in einer Einzelaudienz war der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider. Fast hymnisch äußerte er sich über den neuen Papst, sprach von einem "Austausch der Herzen", sah geradezu einen ökumenischen Frühling kommen. Anfang Juni kam dann der anglikanische Primas Justin Welby zum Antrittsbesuch. Beide versicherten sich, das Bemühen um Einheit fortzusetzen. Bereits einen Monat zuvor hatten Franziskus und der ebenfalls neu gewählte koptische Papst Tawadros II. das enge Verhältnis ihrer Kirchen gewürdigt.
Rätselraten herrscht unterdessen, ob es 2014 zum großen katholisch-orthodoxen Gipfel in Jerusalem kommt; ob Franziskus und Bartholomaios 50 Jahre nach dem Treffen ihrer Vorgänger Paul VI. und Athenagoras im Januar 1964 erneut am christlichen Ursprungsort zusammenkommen. Eine Begegnung sei durchaus möglich, heißt es im Vatikan - wenn vielleicht auch nicht genau am Jahrestag.
Daneben steht auch eine interreligiöse Friedensinitiative um Jerusalem im Raum. Bei der Papstaudienz für Israels Staatspräsidenten Schimon Peres Ende April sprachen beide über ein Treffen von christlichen, jüdischen und muslimischen Religionsführern in Nahost. Allerdings handelt es sich dabei bislang eher um eine vage Idee als um einen konkreten Plan.
Freilich hat Franziskus schon als Erzbischof von Buenos Aires dem Kontakt zu den anderen Religionen, insbesondere zum Judentum und zum Islam, große Bedeutung beigemessen. Schon unmittelbar nach seiner Wahl traf er mit Spitzenvertretern auch dieser Religionen zusammen. In diesen Tagen finden Sonderaudienzen mit Teilnehmern einer internationalen katholisch-islamischen Begegnung und - am Montag - jüdischen Dialogvertretern statt. Dort sind klare Worte des Papstes zu erwarten.
In den Medien untergegangen scheint unterdessen das Studiendokument "Vom Konflikt zur Gemeinschaft", in dem sich Katholiken und Lutheraner mit Blick auf das Reformationsgedenken 2017 auf eine gemeinsame Darstellung der Reformationsgeschichte geeinigt haben. Ob und in welcher Form der Vatikan und Franziskus dann in vier Jahren auf das Geschehen vor 500 Jahren eingehen, ist freilich noch völlig offen.
(KNA - nkqmk-89-00069)
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