Islamwissenschaftler: Arabische Revolutionen nicht verloren
KNA 30.07.2013
Münster (KNA) Trotz Rückschlägen in Tunesien und Ägypten ist der Arabische Frühling aus Sicht des Erlangener Islamwissenschaftlers Jörn Thielmann nicht verloren. Die Gewaltausbrüche in diesen Ländern seien ein Rückschritt, aber kein Zeichen für ein endgültiges Scheitern, sagte Thielmann am Dienstag in Münster. "Wer schon jetzt, gut zwei Jahre nach Beginn der Umwälzungen, von Misserfolgen oder einem Arabischen Winter spricht, verkennt die Komplexität der Lage."
Thielmann forderte die USA auf, ihre bedeutende Militärhilfe für das ägyptische Heer zu nutzen, um Druck auszuüben. Beide Lager, das Militär und die Anhänger des abgesetzten Präsidenten Mohammed Mursi, müssten jetzt Kompromisse eingehen. Wichtig sei eine Überarbeitung der Verfassung, um die derzeitige Autonomie der ägyptischen Armee zu beenden. Auch sollte versucht werden, die gemäßigten Kräfte der Muslimbrüder in den demokratischen Prozess einzubinden, so Thielmann.
Die EU könnte dabei die Rolle eines neutralen Vermittlers spielen. Sie sollte künftig die arabischen Regionen stärker und durch Investitionen etwa in Bildung und Infrastruktur unterstützen, forderte der Wissenschaftler. "Wenn Ägypten, Tunesien und Libyen auf die politisch-ökonomische Erfolgsstraße kommen, wird es für andere autoritäre Regime schwieriger, an ihren Systemen festzuhalten." Jede Gruppe wird Abstriche machen müssen, so der Islamwissenschaftler. Andernfalls drohe ein Bürgerkrieg. Der aber könne eine Kettenreaktion in der arabischen Welt auslösen.
Thielmann ist Sektionsleiter des 32. Deutschen Orientalistentags (DOT), der im September in Münster stattfindet. Dazu werden mehr als 1.000 Orientforscher aus dem In- und Ausland erwartet. Vorgesehen sind gut 900 Vorträge und 80 Diskussionsrunden zu Themen wie die Arabische Revolution, die Politik des Irans, islamische Umweltbewegungen oder Chinesen in multinationalen Unternehmen.
(KNA - nkrnk-89-00102)
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