Solinger Brandanschlag: Integrationsrat vermisst Aufarbeitung
KNA 17.05.2013
Düsseldorf (KNA) Aus dem rechtsextremistisch motivierten Solinger Brandanschlag vor 20 Jahren sind nach Ansicht des nordrhein-westfälischen Landesintegrationsrates (LAGA) nicht die notwendigen politischen Konsequenzen gezogen worden. "Dieser Anschlag ist zwar rechtlich, aber nicht politisch aufgearbeitet worden", kritisierte der LAGA-Vorsitzende Tayfun Keltek am Freitag vor Journalisten in Düsseldorf. Die Rechtsstellung von Ausländern in Deutschland habe sich kaum verbessert. Keltek bezeichnete es als "sehr traurig", dass es für Zuwanderer bisher weder ein Wahlrecht noch eine doppelte Staatsbürgerschaft gebe. Stattdessen würden soziale Probleme von Politikern "ethnisiert" und den Migranten angelastet. Dadurch werde ein wachsender Rassismus befördert.
"Es gibt kein Ausländerproblem, sondern ein Problem mit Rassismus in diesem Land", so Keltek. Hier müsse angesetzt werden, um das Übel des Rechtsextremismus an der Wurzel zu bekämpfen. Umfragen belegten, dass es "ein gefährlich hohes rechtes und rassistisches Einstellungspotenzial" in der Gesellschaft gebe. Im Zeichen der Wirtschaftskrise würden rassistische Anfeindungen von Migranten und Asylsuchenden "erneut hoffähig", kritisierte der Vorsitzende des Landesintegrationsrates. Das Gremium vertritt 105 kommunale Ausländerbeiräte in NRW.
Zum 20. Jahrestag des Solinger Brandanschlags am 29. Mai 1993 rufen die Ausländerbeiräte zu Mahnwachen, Schweigeminuten, Trauerbeflaggung und Friedensaktionen auf. Aufgabe des Integrationsrats sei es, sich auf allen Ebenen für die Gleichstellung der Migranten einzusetzen, erklärte Keltek. "Erst wenn wir empfinden können, dass wir losgelöst von unserer Herkunft, unseren kulturellen Vielfältigkeiten und unserem Glauben zusammengehören in diesem Land, dann wird dem Rechtsextremismus wirklich der Boden entzogen." Bei dem von vier Rechtsextremisten verübten Brandanschlag auf das Haus der türkischen Familie Genc waren fünf Frauen und Kinder getötet worden.
Der Brandschlag sei für viele Migranten zum "Trauma" geworden, sagte der Direktor des "Zentrums für Türkeistudien", Haci-Huli Uslucan. Zwischen 40 bis 50 Prozent der türkischen Zuwanderer fühlten sich derzeit in Deutschland "diskriminiert". Auf dem Höhepunkt der Debatte über die umstrittenen Thesen von Thilo Sarrazin zur Integrationspolitik habe diese Quote im Jahre 2010 sogar bei 80 Prozent gelegen. "Es sind die Alltagswidrigkeiten und die kleinen Nadelstiche, die als Diskriminierung empfunden werden", sagte Uslucan. "Viele Migranten haben das Gefühl, dass mit ihnen keine Begegnung auf Augenhöhe stattfindet."
(KNA - nkplr-89-00065)
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