Kroatiens Kirche zwischen Islam und Faschismus
KNA 25.06.2013
Von Franz Morawitz *
Zagreb/Wien (KNA) "Antemurale Christianitatis" - Vormauer, Bollwerk der Christenheit: Mit Stolz erwähnen auch nicht kirchenfromme kroatische Intellektuelle diesen Ehrentitel. Der Medici-Papst Leo X. (1513-1521), der Martin Luther exkommunizierte, war derjenige, der 1519 dem kleinen, mit Ungarn vereinigten Königreich Kroatien diese Ehrenbezeichnung gab. Die tapferen katholischen Südslawen waren die wichtigsten Abwehrkämpfer gegen die Ausbreitung des Osmanischen Reiches nach Mittel- und Südeuropa.
In dem christlichen Heer, das 1456 die Osmanen in der Schlacht bei Belgrad besiegte, befand sich auch eine große Zahl Kroaten, die der später heiliggesprochene Franziskaner Johannes von Capistrano (1386-1456) anführte. Bis 1690 führten die Kroaten die heftigsten Kämpfe gegen die vorrückenden Osmanen. Diese Epoche wurde nach einem 1703 erschienenen Gedicht von Paul Ritter-Vitezovic als "Plorantis Croatiae Saecula duo" (Zwei traurige Jahrhunderte Kroatiens) bekannt. 1493 wurde die Schlacht auf dem Krbavsko Polje verloren; etwa 10.000 Kroaten und ein Großteil der damaligen Aristokratie kamen um. Vorangegangen waren der Fall Serbiens und Bosniens, sodass die Kroaten die Hauptlast der Türkeneinfälle zu tragen hatten. Feldherren aus Wien und Venedig nahmen mit Vorliebe kroatische Soldaten in ihren Sold.
Das Bollwerk-Denken in Kroatien hat jedoch Wurzeln, die noch älter sind als die Türkenkriege. Bereits im 7. Jahrhundert hatten die aus der heutigen Ukraine nach Westen gewanderten Kroaten das Christentum angenommen. Stolz verweist man auf die glagolitische Liturgie und Schrift, die die christlichen Kroaten in den ersten Jahrhunderten entwickelten. Anders als die weiter im Süden und Osten siedelnden slawischen Völker orientierte man sich kirchlich nicht an Byzanz, sondern an Rom. Fortan war die Religion das Hauptunterscheidungsmerkmal der einzelnen südslawischen Völker. Kroatien wurde zum Vorposten der römischen Kirche am Balkan - und fühlt sich bis heute als solcher. Während das Bewusstsein, ein Bollwerk des Christentums gegen den Islam zu sein, wegen des Verlaufs der jüngsten Geschichte in den Hintergrund getreten ist, kehrte ein älterer Antagonismus umso stärker hervor: jener zwischen westlichem und östlichem Christentum.
So kann man in Kroatien oft hören, das Land gehöre zum Bereich der "katholischen Zivilisation". Westliche Besucher reagieren oft mit Unverständnis, haben doch ihre Regierungen längst der Idee abgeschworen, konfessionelle Zivilisationen verteidigen zu müssen. Blutige und schmerzvolle historische Erfahrungen haben dazu geführt. Wenn auch heute in Kroatien Wert auf Abgrenzung der Kulturen und Konfessionen gelegt wird, so gibt es doch auch viele Gemeinsamkeiten zwischen den in jüngster Vergangenheit als Gegner auftretenden Nachbarn. Diese haben überhaupt dazu geführt, dass einmal für 80 Jahre ein Vielvölkerstaat namens Jugoslawien existierte. Politischen Rivalitäten zum Trotz hatten Serben und Kroaten immer miteinander Kontakt. Vor allem die Intellektuellen beider Völker tauschten über die Jahrhunderte untereinander ihre Gedanken aus.
Im 19. Jahrhundert vertrat unter anderen der kroatische Bischof Josip Strossmayer (1815-1905) den Gedanken eines kroatisch-serbischen Zusammenschlusses. Sein religiös geprägter Panslawismus brachte ihn in Gegensatz zu dem nationalkroatischen Politiker Ante Starcevic (1823-1896), der die Serben zurückdrängen wollte und ein Großkroatien postulierte. Beide Konzeptionen sollten in der Geschichte des 20. Jahrhunderts aufgegriffen werden: Strossmayer wurde oft als geistiger Vater des Vielvölkerstaates Jugoslawien angesehen, Starcevic als Vordenker eines unabhängigen kroatischen Staates.
Auch der kroatische Primas Kardinal Alojzije Stepinac (1898-1960) war auf der Seite der Vertreter der "Unabhängigkeit". Diese gerieten freilich 1941 in einen faschistischen Ustascha-Staat unter dem Schutz der Achsenmächte. Als dessen Führung Gräueltaten befahl, wurde der Kardinal wiederholt bei der Staatsführung vorstellig. Die Kommunisten machten Stepinac nach dem Krieg einen Schauprozess. Er wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt, obwohl er persönlich moralisch nicht angreifbar war. Der Kardinal repräsentiert gut den schwierigen Weg der katholischen Kirche Kroatiens, die in den 74 Jahren zwischen dem Ende der Habsburger-Monarchie und dem Zerfall Jugoslawiens in mehreren Dilemmata steckte.
(KNA - nkqmn-89-00046)
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