Im Wahlkampf in Mali wächst der Einfluss der Religion
KNA 22.07.2013
Von Katrin Gänsler (KNA)
Bamako (KNA) In Mali geht der Wahlkampf um das Präsidentenamt in die heiße Phase. Am 28. Juli ist Wahltag. Obwohl sich mehr als 90 Prozent der Einwohner des westafrikanischen Staates zum Islam bekennen, wünschen sich die Menschen ein laizistisches Land.
Modibo Sidibe, früherer Ministerpräsident Malis und einer der Favoriten für den Präsidentenposten , hat nur einen kurzen Auftritt in Gao. Die Stadt im Zentrum Malis wurde im Januar 2013 von französischen und malischen Truppen von Islamisten befreit. Nun warten die Anhänger des Präsidentschaftskandidaten der Partei FARE (Forces Alternatives pour le Renouveau et l'Emergence) stundenlang auf dem Platz der Unabhängigkeit. Die Gegend ist mit Wahlplakaten der FARE gepflastert. Eine Gruppe von Frauen trägt T-Shirts mit dem Konterfei ihres Favoriten. Aus den Lautsprechern dröhnt Musik und immer wieder Modibo-Sidibe-Rufe. Doch richtig mitreißen lässt sich das Publikum nicht. Die Temperaturen reichen über 40 Grad, es ist Ramadan. Tagsüber wird, Wahlkampf hin oder her, gefastet.
Erst als sich die ersten Zuschauer wieder auf den Weg nach Hause gemacht haben, erreichen Modibo Sidibe und sein Wahlkampftross Gao. Plötzlich kommt Wahlkampfhektik auf, alle wollen mit dem Kandidaten reden oder ihn wenigstens einmal aus nächster Nähe sehen. Ein gemeinsames Gebet mit den Anhängern gilt als Höhepunkt der Wahlkampfveranstaltungen Sidibes. Für einen kurzen Moment kehrt Ruhe ein.
"In Mali pflegt jeder Präsidentschaftskandidat gute Verbindungen zu religiösen Vertretern", erklärt Mahmoud Dicko, Imam und Präsident des Hohen Islamischen Rates, dem Dachverband muslimischer Organisationen, mit Sitz in Bamako. Der Faktor Religion entscheide zwar nicht alles, trotzdem wünschten sich die Wähler Kandidaten, die Werte vermitteln. "In diesem Sinne muss ein Präsident schon ein guter Muslim sein."
Im Wahlkampf hält man sich zwar bisher mit Äußerungen zu Religion zurück. Doch sie darf in keinem Wahlprogramm fehlen. So wirbt Aichata Cisse Haidara, die einzige Frau unter den 27 Kandidaten, mit ihrer Spende von umgerechnet 27.400 Euro für die Renovierung einer alten Moschee in ihrem Heimatort Bourem. Das wirkt harmlos. Doch es gibt auch Befürchtungen, dass der Einfluss der Politik weit größer sein könnte. So kritisierte ein Imam in Bamako laut dem Internetdienst "Bamako.com" unlängst, dass viele Moscheen zur Wahlkampfarena würden.
Die Vermischung von Politik und Religion hat zugenommen. Ein Beispiel dafür ist das neue Familiengesetz: Unter dem im März 2012 gestürzten Präsidenten Amadou Toumani Toure sollte es modernisiert werden: Erhöhung des Heiratsalters auf 18 Jahre, Gleichbehandlung von Mädchen und Jungen im Erbrecht, Beglaubigung der Eheschließung vom Staat und nicht nur von einem Imam. Doch der Hohe Islamische Rat protestierte. Zehntausende kamen zu Demonstrationen in der Hauptstadt Bamako. Die Änderungen wurden zurückgenommen.
Das ist nicht der einzige Sieg der Muslime. Im vergangenen Jahr schaffte es der Hohe Islamische Rat, ein neues Ministerium für religiöse Angelegenheiten durchzudrücken. Der Minister ist eines ihrer Mitglieder.
Theodore Togo, Generalsekretär der Caritas in Mali, zeigt sich trotzdem optimistisch. Die Religion werde kurz vor den Wahlen nicht der entscheidende Faktor sein. Seiner Meinung nach hätten viele Malier vor allem ein Ziel. Sie wollen, dass es endlich wieder eine demokratisch legitimierte und handlungsfähige Regierung gibt. Togo verweist auf die malischen Bischöfe: "Sie haben klargemacht, dass die Wahlen frei, fair und ruhig ablaufen müssen."
Erreicht bei der Präsidentschaftswahl am 28. Juli keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit, kommt es am 11. August zur Stichwahl. Die Abstimmung wurde nötig, nachdem es im März 2012 zum Staatsstreich kam und eine Übergangsregierung eintrat. Erschwerend wirkte die Entwicklung im Norden: Dieser war acht Monate lang von mehreren islamistischen Gruppierungen sowie der Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA) besetzt. Letztere hat weiterhin in Kidal, im Nordosten von Mali, die Vormachtstellung.
(KNA - nkrmm-89-00080)
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