Schweizer Kopftuch-Urteil: Geteilte Reaktionen bei Muslimen
KNA 11.07.2013
Zürich (KNA) Ein Urteil des höchsten Schweizer Gerichts zu islamischen Kopftüchern an Schulen hat gespaltene Reaktionen bei islamischen Organisationen ausgelöst. Das "Forum für einen fortschrittlichen Islam" sprach von einer Entscheidung "im Sinne der fundamentalistischen Muslime". Mit dem Urteil verletze der Staat seine Pflicht zum Schutz der Kinder, sagte Saida Keller-Messahli, Gründerin und Präsidentin des Forums, in einem Interview mit dem Zürcher "Tages-Anzeiger" (Freitag). Eine Vertreterin der "Koordination Islamischer Organisationen Schweiz" sprach hingegen von einem Zeichen, dass der Rechtsstaat funktioniere.
Das Schweizer Bundesgericht in Lausanne hatte am Donnerstag entschieden, dass die Thurgauer Gemeinde Bürglen zwei muslimischen Mädchen das Tragen eines Kopftuches aufgrund der Schulordnung nicht verbieten darf. Keller-Messahli kritisierte, religiöse Symbole hätten in Schulen nichts zu suchen, da diese der Trennung von Kirche und Staat verpflichtet seien.
Rifa'at Lenzin, Vorstandsmitglied der "Koordination Islamischer Organisationen Schweiz", begrüßte laut der "Berner Zeitung" (Onlineausgabe Donnerstag) dagegen das Urteil. Eine Bestätigung des Kopftuchverbots wäre "eine klare Verletzung der Religionsfreiheit gewesen", so Lenzin, die auch Co-Leiterin des von Juden, Christen und Muslimen gemeinsam geleiteten "Zürcher Lehrhauses" ist. Eltern hätten das Recht, ihre Kinder religiös zu prägen. Zudem seien Schulen keine religionsneutralen Orte: "Auch wenn dies oft nicht so wahrgenommen wird: Auch die Schweizer Schulen sind durch Schulordnungen und Symbole oft noch christlich und humanistisch geprägt", sagte Lenzin.
Unterdessen erwägt die Schweizerische Volkspartei (SVP) im Kanton St. Gallen nach dem Urteil eine Initiative für ein generelles Verbot von Kopfbedeckungen an den Schulen. Entsprechende Pläne bestätigte Kantonsrat Erwin Böhi am Freitag auf Anfrage der Presseagentur Kipa. Die Ortssektion der SVP Au-Heerbrugg sammelt demnach Unterschriften für ein Referendum. 200 der 400 nötigen Unterzeichner seien beisammen.
(KNA - nkrlm-89-00033)
Auf unserer Hauptseite finden Sie weitere Informationen zu den Themen interreligiöser Dialog und christlich islamischer Dialog.