Islamwissenschaftler Kermani deutet christliche Kunst
KNA 07.06.2013
Von Larissa Hinz (KNA)
Köln (KNA) Ihr Gesicht ist in goldene Farbe getaucht. Marias Augen blicken den Betrachter sorgenvoll an - und der heißt Navid Kermani. Der deutschiranische Schriftsteller tritt am Donnerstagabend beim Eucharistischen Kongress in Köln auf. Während seiner Lesung "Heilige Kunst" im Kölner Museum Schnütgen interpretiert er religiöse Kunstwerke auf Leinwand.
Das Gesicht der Gottesmutter ist in Nahaufnahme zu sehen. Die großen Augen entfalten nicht nur bei Kermani ihre Wirkung, sondern auch bei den Besuchern der Lesung. Die meist ergrauten Gäste schauen andächtig auf das Kunstwerk. Sie scheinen Kermani zu folgen, als der Islamwissenschaftler in die christliche Mariendarstellung das Gefühl von "Sorge" hineininterpretiert.
Der Orientalist will mit seinen Bildmeditationen neue Blickwinkel auf bekannte Gemälde erzeugen - egal, ob die Betrachter seine Meinung teilen oder nicht. Die Hauptsache sei, das Gewohnte neu zu sehen.
Der Kölner Autor beschäftigt sich seit seinem Roman "Dein Name" mit katholischer Kunst. Im Jahr 2009 erhielt er zusammen mit dem Mainzer Kardinal Karl Lehmann und dem früheren Präsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker, sowie dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, den Hessischen Kulturpreis. Vorausgegangen war allerdings ein Streit zwischen Kermani und den christlichen Preisträgern. Sie hatten ihm vorgeworfen, in einem Zeitungsartikel das Kreuz als zentrales christliches Glaubenssymbol fundamental und unversöhnlich angegriffen zu haben. Nach Gesprächen wurde die Kontroverse beigelegt.
In Köln berichtet Kermani von seiner Ergriffenheit, wenn er das Bild des gekreuzigten Jesu betrachtet. "Ich könnte daran glauben", sagt er. Von da an wird sein Vortrag inspirierend: Mehrere der rund 80 Zuhörer beugen sich nach vorne, stützen ihre Ellbogen auf die Knie und lauschen gebannt. Vielleicht haben sie auch noch Kermanis Worte vom Beginn im Ohr; als er über das goldenen Marienbildnis sagt: "Sie hat auch mich angeschaut."
(KNA - nkqkq-89-00146)
Auf unserer Hauptseite finden Sie weitere Informationen zu den Themen interreligiöser Dialog und christlich islamischer Dialog.