EU berät über Ägypten - Lage der Christen im Fokus
KNA 19.08.2013
Berlin (KNA) Angesichts der anhaltenden Ausschreitungen in Ägypten wollen sich die EU-Außenminister noch in dieser Woche zu einem Krisengipfel in Brüssel treffen. Die Bundesregierung verurteilte am Montag vor allem die Gewalt gegen die christliche Minderheit in dem nordafrikanischen Land. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Bundesregierung strebe eine Neuordnung der Zusammenarbeit mit Ägypten an. Dabei werde der Umgang mit religiösen Minderheiten ein wichtiges Kriterium sein.
Auf dem Prüfstand stehen derzeit sowohl die Entwicklungszusammenarbeit als auch die militärische Hilfe für Ägypten. Exporte von Rüstungsgütern würden derzeit nicht mehr genehmigt, hieß es. Die Gesellschaft für bedrohte Völker nannte diesen Schritt "schon lange überfällig" und rief zu einem allgemeinen Umdenken in der Rüstungspolitik auf. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sagte dem rbb-inforadio, sein Haus konzentriere sich auf Maßnahmen, "die den Menschen helfen". Den Machthabern in Kairo würden für dieses Jahr keine weiteren Finanzzusagen gemacht. Das Bundesinnenministerium betonte, dass an eine eigenen Asylregelung für verfolgte Christen aus Ägypten derzeit nicht gedacht sei. Unterdessen dauern die Unruhen in Ägypten an. Am Montagmorgen kamen im Nordsinai bei einem mutmaßlich von Islamisten verübten Anschlag mindestens 24 Polizisten ums Leben. Nahe der Grenzstadt Rafah zwangen die Attentäter zwei Minibusse der Polizei zum Halten und erschossen die Insassen. Das weltberühmte Katharinenkloster schloss wegen der angespannten Lage seine Tore. Der Besucherverkehr sei auf polizeiliche Anordnung bis auf weiteres eingestellt, bestätigte ein Sprecher am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Wann das UNESCO-Welterbe wieder öffnen könne, sei nicht absehbar.
Die Situation der christlichen Minderheit hat sich nach den Worten von Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) dramatisch zugespitzt. Christen seien unter anderem deswegen zur Zielscheibe von Anschlägen geworden, weil sie ziemlich deutlich gezeigt hätten, dass sie die Entmachtung von Präsident Mohammed Mursi durch das Militär im Grundsatz für richtig gehalten hätten, sagte Kauder dem Kölner domradio. Zuvor hätten die hinter Mursi stehenden Muslimbrüder bereits den Druck auf die Christen erhöht, weil sie eine islamische Republik aufbauen wollten.
Nach Ansicht von Menschenrechtlern spielen die Muslimbrüder trotz der jüngsten Verhaftungswelle weiter eine Schlüsselrolle. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte sprach von 56 Kirchen, die durch militante Muslimbrüder zerstört worden seien. Bei einem Treffen in Berlin warnten Vertreter von Amnesty International vor einseitigen Urteilen. Man müsse einen Unterschied zwischen gewaltbereiten Muslimbrüdern und friedlichen Demonstranten zu machen. Außerdem würden Menschenrechtsverstöße auch vom ägyptischen Militär und von Sicherheitskräften gemeldet, hieß es zum Abschluss der "Internationalen Ratstagung" von Amnesty, an der rund 450 Delegierte aus 80 Ländern teilnahmen.
Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk warf dem Westen vor, in Ägypten die eigenen Werte zu verraten. Die ganze Welt habe weggeschaut, als das Militär Anfang Juli den demokratisch gewählten Präsidenten Mursi abgesetzt habe, kritisierte Pamuk in der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). "Entweder gibt es so etwas wie westliche Werte, wie die Ideale von Demokratie, Meinungsfreiheit und so fort, oder es gibt sie nicht, weil sie immer wieder politischen oder ökonomischen Kalkülen unterworfen werden." Vertreter der christlichen Kirchen zeigten sich nach Angaben des kirchlichen Hilfswerks Missio in Aachen sehr enttäuscht über Medienberichterstatter im Westen. Sie hätten den Eindruck, dass die Muslimbrüder als Opfer einer Gewaltregierung dargestellt werden, sagte der stellvertretende Leiter der MissioAuslandsabteilung, Matthias Vogt, dem Portal "weltkirche.katholisch.de" (Montag).
Der koptisch-katholische Patriarch von Alexandria, Ibrahim Isaac, betonte unterdessen, die Kirche unterstütze "bewusst und freiwillig alles staatlichen Institutionen im Lande". Das gelte ausdrücklich auch für Polizei und Armee, die "in großer Gefahr und Anstrengung unsere Heimat verteidigen". Der Vorsitzende des Rates der katholischen Patriarchen und Bischöfe Ägyptens dankte am Montag zugleich allen ausländischen Regierungen und Medienvertretern, die die Ereignisse im Land besonnen und objektiv analysierten. "Einmischung" in innenpolitische Angelegenheiten sei der falsche Weg.
(KNA - nkslt-89-00111)
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