Bundesjustizministerin fordert doppelte Staatsbürgerschaft
KNA 18.07.2013
Von Tjalke Weber (KNA)
Köln (KNA) Feierabend im Industriebezirk Köln-Ehrenfeld: Es ist laut und hektisch, Menschen eilen zur S-Bahn oder stehen vor einem Schnellimbiss an. Eine ganz andere Welt empfängt den Besucher im Bosnischen Islamischen Kulturzentrum. An aufwendig gedeckten Tischen sitzen festlich gekleidete Männer und Frauen. Ein vielsprachiges Stimmengewirr tönt durch den Raum. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat an diesem Mittwochabend zum traditionellen Fastenbrechen im Ramadan eingeladen. Zum "Iftar"-Mahl sind auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und NRW-Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) nach Köln gekommen.
"Iftar gehört zum kulturellen Inventar Deutschlands", betont ZMD-Vorsitzender Aiman Mazyek zu Beginn. Fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehende Muslime seien "eine Bereicherung für unser Land". Er warnt zugleich vor einer zunehmenden Islamfeindlichkeit. Der Umgang mit Minderheiten sei der Lackmustest für Deutschland, sagt Mazyek: "Eine Gesellschaft ist so stark, wie sie sich tolerant im Umgang mit Minderheiten zeigt."
Das Begehen des Ramadan bedeutet nach Ansicht von Leutheusser-Schnarrenberger, Religionsfreiheit und damit das Grundgesetz zu leben. "Ramadan gehört in der Tat zur Kultur in Deutschland", sagt sie. Gegenseitiges Kennen und Wertschätzen der Traditionen sei entscheidend für ein verständnisvolles und friedliches Zusammenleben. Die Politik sei in Bezug auf die Sicherheit gefordert. Aus der NSU-Mordserie etwa müssten Konsequenzen für die Sicherheitsarchitektur in Deutschland gezogen werden: "Wir brauchen keine 35 Behörden für die gleiche Aufgabe."
Die Ministerin fordert zudem, Einwanderung als Chance zu begreifen und die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen. "Man kann seinem Herkunftsland verbunden und trotzdem loyal zu Deutschland sein", so die FDP-Politikerin. Zudem mahnt sie, die Neutralitätspflicht zu wahren: "Der Staat darf in Bezug auf die Religionsausübung nichts vorschreiben."
Ähnlich sieht das an diesem Abend der NRW-Integrationsminister. "Sie sind mit Ihrer Religion in diesem Land herzlich willkommen", sagt Schneider an die Muslime gerichtet. Er verweist auf den angestrebten bekenntnisorientierten Religionsunterricht für die rund 300.000 muslimischen Schüler in NRW. Darüber hinaus fordert er einen Rechtsstatus für die drittgrößte Religionsgruppe, die Einrichtung muslimischer Wohlfahrtsverbände sowie ein kommunales Wahlrecht für Einwanderer.
Zugleich stellt Schneider klar, dass alle hier Lebenden Deutsch als Amtssprache und das Deutsche Grundgesetz akzeptieren müssten. "Integration bedeutet weder Assimilation noch Germanisierung." Gewisse Grundsätze müssten aber gewahrt werden. Mit einem neuen Runden Tisch kann der Integrationsminister aufwarten. Für den 12. September kündigt er ein islamisches Dialogforum mit Vertretern der Muslime und der Landesregierung an.
Im Anschluss an die Reden werden zum Fastenbrechen typische Iftar-Speisen aus Bosnien gereicht. Das deftige Drei-Gänge-Menü umfasst balkanische Hähnchensuppe, Lamm am Spieß, mit Rindfleisch gefüllte Paprika und bosnische Pita. Zum Nachtisch gibt es Baklava und Hurmasica, Teigkuchen in Honig-Zuckersirup. Aber zuerst greifen alle Fastenden nach dem langen und heißen Sommertag nach Wasser und Cola.
Der Fastenmonat endet am 8. August. Für Muslime ist das Fasten im jeweils neunten Monat des islamischen Mondjahres eine der fünf Säulen ihrer Religion. Zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang ist ihnen das Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr untersagt. Mit dem Iftar, dem festlichen Abendessen, wird das Fasten täglich beendet. Ausgeschlossen von der Fastenpflicht sind Reisende, Schwangere, stillende Mütter, Kinder, Kranke und Alte.
(KNA - nkrls-89-00117)
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