Amnesty-Chefin: Erdogan kann Rad nicht zurückdrehen
KNA 21.06.2013
München (KNA) Die Generalsekretärin von Amnesty-International Deutschland, Selmin Caliskan, sieht einen großen gesellschaftlichen Wandel in der Türkei. "Die Leute wachen auf. Die Solidarität wächst - und das lagerübergreifend", sagte sie am Freitag in einem Interview auf sueddeutsche.de. Auch unpolitischen Menschen werde angesichts des Vorgehens der türkischen Regierung und der Sicherheitskräfte der Wert von Freiheit und Bürgerrechten klar. "Die Regierung hat mit ihrer Gewalt das Gegenteil ihrer Ziele erreicht. Premier Erdogan kann die Uhr nicht mehr zurückdrehen", betonte sie.
Caliskan warnte zugleich vor zu großen Hoffnungen. Von einem "Türkischen Frühling" zu sprechen, wäre verfrüht, sagte sie. "Die Demonstranten wollen die Türkei verändern - aber nicht durch eine blutige Revolution, sondern auf demokratische Weise, durch einen Marsch durch die Institutionen. Ein Thema ist etwa die Teilnahme an den Kommunalwahlen 2014."
Die ai-Generalsekretärin sagte, niemand habe damit gerechnet, dass die Polizei mit brutaler Gewalt gegen friedliche Bürger vorgehe. "Ein Teil der Demonstranten wäre sonst sicherlich gar nicht in den Gezi-Park gegangen. Und ein anderer Teil hätte Helme und Gasmasken mitgenommen." Die Türkei habe eine demokratische Basis, doch die Regierung handele von Grund auf falsch. "Das Land wird überzogen mit Drohungen und Angst." Selbst das deutsche Krankenhaus in Istanbul sei mit Wasserwerfern angegriffen worden. Viele regierungskritische Journalisten säßen im Gefängnis.
Um die Proteste und Polizeigewalt in Istanbul aus der Nähe zu beobachten, ist Caliskan selbst in die Türkei gereist und hat sich am stummen Protest auf dem Taksim-Platz in Istanbul beteiligt. Die Tochter türkischer Gastarbeiter ist seit März Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International.
(KNA - nkqml-89-00030)
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