Boko Haram beeinflusst Zusammenleben von Christen und Muslimen
KNA 29.10.2013
Von Katrin Gänsler (KNA)
Abuja (KNA) In Nigeria reißen Anschläge durch Boko Haram nicht ab. Die islamistische Terrorgruppe hat sich zwar aus den großen Städten des Nordens zurückgezogen. Doch in ländlichen und schlecht gesicherten Gebieten des westafrikanischen Landes kommt es regelmäßig zu neuen Kämpfen zwischen Terroristen und nigerianischem Militär. Allein seit Mai sollen dabei mehr als 1.100 Menschen ums Leben gekommen sein. Das belastet nicht nur die Bewohner, sondern auch den interreligiösen Dialog im Land.
Der katholische Priester Cornelius Afebu Omonokhua sitzt in gemütlicher Runde mit Besuchern in seinem Büro. Die drei Männer tauschen Ideen aus, diskutieren und vor allem lachen - als sei es das Normalste der Welt. Doch gerade in der Hauptstadt Abuja und im Norden Nigerias ist das nicht mehr selbstverständlich. Afebu Omonokhuas Gäste sind Muslime, sein Büro ist im Haus der Katholischen Bischofskonferenz - er leitet dort die Abteilung Mission und Dialog.
"Wenn ich andere christliche Einrichtungen besuche, dann werde ich oft "Vater Dialog" genannt", sagt der Priester lachend über seinen inoffiziellen Titel. Dabei ist der Hintergrund ernst. Denn die islamistische Terrorgruppe Boko Haram (Westliche Bildung ist Sünde) hat tiefe Spuren im interreligiösen Dialog hinterlassen.
Gerade viele Muslime leiden heute darunter. "Es gibt Christen, die uns als potenzielle Terroristen sehen. Sie denken, dass wir gefährlich und schnell zum Morden bereit sind", erklärt Abubakar Inaboya, Vertreter des "Abuja Muslim Forum". Besonders häufig würde er das von Pfingstkirchen hören, die in Nigeria großen Einfluss haben.
Kirchenvertreter haben Muslimen in den vergangenen Monaten oft vorgeworfen, sie würden sich nicht deutlich genug von Boko Haram distanzieren. Außerdem schritten sie in den Moscheen nicht gegen radikale Entwicklungen ein, sondern duldeten diese sogar. Seitens der Christlichen Vereinigung Nigerias (CAN), dem Dachverband der christlichen Kirchen, heißt es etwa: "Beim Umgang mit Boko Haram gibt es keine Übereinstimmung. Die Muslime stehen hinter der Gruppe, die Christen sind gegen sie" - so gibt CAN-Generalsekretär Musa Asake die Position seines Verbandes wieder. Es sind deutliche Worte, die auch andere Kirchenvertreter finden, wenn auch hinter vorgehaltener Hand. Inaboya bleibt nur eins: Er versucht immer wieder zu erklären, dass Boko Haram nicht zum Islam gehört. "Der Koran verbietet uns das Töten. Stattdessen sollen wir friedlich mit anderen Religionen zusammenleben." Boko Haram hat zwar immer wieder gezielt Kirchen angegriffen. Aber zu den Opfern gehören genauso Muslime. Manchmal werden sie zynisch als Kollateralschaden bezeichnet.
Dennoch den Dialog zu führen, das klappt für Inaboya und weitere Vertreter des "Abuja Muslim Forum" derzeit mit der katholischen Kirche. Die muslimischen Gesprächspartner haben keine Scheu, Priester Afebu Omonokhua in den Räumen der Bischofskonferenz zu besuchen. Für den Priester hat das einen Grund: "Für uns ist der interreligiöse Dialog verpflichtend und nicht bloß eine freiwillige Leistung." Andere Kirchen bewerteten das durchaus anders.
Außerdem glaubt er auch ganz persönlich daran. In vielen Familien ist es üblich, dass Christen und Muslime zusammenleben. Gerade im Süden, wo Christen zwar die Mehrheit bilden, wo es aber trotzdem wie bei den Yoruba im Südwesten einen starken Islam gibt. So sagt Afebu Omonokhua: "Mein Großvater mütterlicherseits war Muslim. Mein Onkel wurde in unserem Dorf der Imam." Als er 1990 zum Priester geweiht wurde, war es selbstverständlich, dass auch der Onkel zum Gottesdienst kam und mit ihm feierte. Wenn er heute nach Hause kommt und andere muslimische Verwandte trifft, vergisst er nach eigenen Worten, wer denn nun welcher Religion angehöre.
Gerne gesehen wird das nicht. "Wenn ich in die Zentralmoschee gehe, werde ich von anderen Pastoren gewarnt: Wie kannst du sie bloß besuchen. Eines Tages werden sie dich umbringen", so Afebu Omonokhua. Und dann lacht er wieder - gemeinsam mit seinen muslimischen Besuchern.
(KNA - nlkmt-89-00057)
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