Islamwissenschaftler: Salafisten machen es sich zu leicht
KNA 04.10.2013
Hamburg (KNA) Der Münsteraner Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide will mit Klischees über die islamische Rechtslehre Scharia aufräumen. Viele glaubten, die Scharia sei ein wesentlicher Teil des Islam und regele das Leben der Muslime bis ins Detail, sagte er im Interview der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" (Mittwoch). Scharia bedeute "der Weg zu Gott". Es gehe um Prinzipien wie Gerechtigkeit, innere Läuterung, nicht um einzelne Gesetze und kleinliche Vorschriften, so der Professor für islamische Religionspädagogik am Centrum für Religiöse Studien der Universität Münster.
"Man muss sich lösen von dem Gedanken, der islamische Gott sei ein angstmachender Gott, der nur dann zufrieden ist, wenn ich Gesetze den Buchstaben nach erfülle; es geht ihm um die Absicht dahinter", so der Theologe und Soziologe. Doch würden Aussagen islamischer Rechtsgelehrter häufig "unhinterfragt als göttliche Wahrheit für alle Zeiten" übernommen. Dabei hätten auch sie nur den Koran interpretiert, sagte der Wissenschaftler. "Wir haben aus ihnen Götter gemacht."
Weiter kritisierte er, bestimmte Strömungen des Islam machten es sich zu leicht. "Salafisten können den Islam in 30 Sekunden auf YouTube zusammenfassen. Die sagen: Fünfmal am Tag beten, fasten, pilgern, kein Alkohol, und das Paradies wartet." Orthodoxe Lehrbücher erklärten ausführlichst, wie man die Finger beim Gebet zu halten habe, damit man gottgefällig ist. "So kleinlich kann Gott nicht sein", sagte Khorchide. Vielmehr müsse sich jeder gute Muslim ein Leben lang auf seine Gesinnung hin prüfen. In diesem Sinne bemängelte der Professor die Einführung einer Lehrerlaubnis an seinem Institut, die ein Beirat, in dem auch Vertreter islamischer Verbände sitzen, für Dozenten erteilen muss. "Ich würde diese Lehrerlaubnis am liebsten abschaffen, eine amtliche Beurteilung, ob jemand religiös genug ist, gibt es nicht im Islam. Aber die Verbände wollten es so. Die Lehrerlaubnis verleiht ihnen mehr Mitspracherecht, mehr Macht", so der Wissenschaftler.
Khorchide sprach sich für eine Aufhebung des Kopftuchverbots für Religionslehrerinnen aus. "Für mich gehört es zur Religionsfreiheit, dass man das Kopftuch in Schulen tragen darf. Auch außerhalb des Islamunterrichts." Denkbar wäre laut Khorchide eine Selbstverpflichtung, in der die Lehrerin bestätigt, dass das Tuch eine rein private Sache ist und sie die Schülerinnen in keiner Weise beeinflussen wird, es ebenfalls zu tragen.
(KNA - nlkkm-89-00124)
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