Der Weg der Türkei in Richtung EU-Beitritt im Überblick
KNA 25.06.2013
Brüssel/Berlin (KNA) In der EU herrscht Uneinigkeit darüber, ob die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nach der gewaltsamen Niederschlagung der landesweiten Proteste gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eingefroren werden sollen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert die wichtigsten Stationen in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Brückenstaat zwischen Europa und Asien.
1. Dezember 1964: Ein Assoziierungsabkommen zwischen der damaligen Europäischen Wirtschafts-Gemeinschaft (EWG) und der Türkei tritt in Kraft. Es stellt in Aussicht, "die Möglichkeit eines Beitritts der Türkei zur Gemeinschaft zu prüfen", sobald die Voraussetzungen dafür gegeben seien.
Herbst 1980: Nach dem Militärputsch vom 12. September legt die Europäische Gemeinschaft (EG) ihre Beziehungen zur Türkei vorübergehend auf Eis. Die Beziehungen normalisieren sich nach der Wiedereinsetzung einer Zivilregierung 1983 langsam wieder.
14. April 1987: Die Türkei beantragt die Aufnahme in die EG.
Dezember 1989: Die Europäische Kommission erklärt Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu diesem Zeitpunkt für "nicht zweckmäßig".
Juni 1993: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) legen bei ihrem Gipfeltreffen in Kopenhagen Kriterien fest, die jedes künftige Beitrittsland erfüllen muss. Neben wirtschaftlichen gehören dazu auch politische Bedingungen, etwa die Einhaltung der Menschenrechte.
1. Januar 1996: Ein zwischen der EU und der Türkei geschlossenes Abkommen zur Zollunion tritt in Kraft.
Dezember 1997: Die EU-Staats- und Regierungschefs erklären in Luxemburg, dass die Türkei "für einen Beitritt in Betracht kommt", und verlangen weitere Reformen. Die Türkei sieht sich dadurch gegenüber den anderen Beitrittskandidaten diskriminiert und setzt den politischen Dialog mit der EU aus.
November 1998: Die EU-Kommission beklagt in ihrem ersten Fortschrittsbericht unter anderem Menschenrechtsverletzungen, mangelnde zivile Kontrolle über das Militär sowie erhebliche Probleme in der Minderheiten-Politik.
10. Dezember 1999: Die EU gewährt der Türkei beim Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Helsinki den Status eines Beitrittskandidaten. Beitrittsverhandlungen könnten aber erst nach einem "politischen Dialog" über Menschenrechtsfragen, der Beilegung von Grenzstreitigkeiten mit Griechenland und einer konstruktiven Haltung der Türkei im Zypern-Konflikt beginnen.
Dezember 2002: Die EU-Staats- und Regierungschefs legen fest, dass im Dezember 2004 über die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei entschieden werden soll. Grundlage dafür soll ein Bericht der EU-Kommission sein.
Oktober 2004: Die EU-Kommission empfiehlt den EU-Staats- und Regierungschefs die Aufnahme von ergebnisoffenen Beitrittsverhandlungen unter genau definierten Bedingungen.
Dezember 2004: Die EU-Staats- und Regierungschefs einigen sich auf den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober 2005.
März 2005: Die EU kritisiert scharf die gewaltsamen Übergriffe von Sicherheitskräften gegen Demonstranten bei einer Kundgebung zum Internationalen Frauentag in Istanbul.
Sommer 2005: Die EU und die Türkei streiten um die Anerkennung Zyperns. Die Türkei unterzeichnet ein Abkommen, das die Zollunion auf die zehn neuen EU-Mitgliedstaaten und damit auch Zypern ausdehnt. Sie verbindet dies mit einer Erklärung, darin sei keine Anerkennung Zyperns zu sehen. Die EU reagiert verärgert und verlangt eine Anerkennung Zyperns während des Beitrittsprozesses.
September 2005: Die EU-Kommission verurteilt das von einem türkischen Verwaltungsgericht verhängte Verbot einer Konferenz über den Völkermord an den Armeniern in Istanbul als "Provokation".
Oktober 2005: Die EU-Außenminister billigen nach 20-stündigen Beratungen in Luxemburg einen neuen Verhandlungsrahmen für die Beitrittsgespräche mit der Türkei. Zuvor hatte Österreich Änderungen verlangt, die zum Teil in das Dokument eingearbeitet werden. Noch in der Nacht zum 4. Oktober beginnen die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.
November 2005: Die EU-Kommission beklagt eine Verlangsamung der Reformen. Unter anderem werden erneut Fortschritte bei den Menschenrechten und der Religionsfreiheit angemahnt.
Sommer 2006: Abermals streiten die EU und die Türkei über die Anerkennung Zyperns, nachdem Ankara zyprischen Schiffen und Flugzeugen weiter den Zugang zu türkischen Häfen und Flughäfen verweigert. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn schließt eine zumindest teilweise Aussetzung der Beitrittsverhandlungen nicht mehr aus.
November 2006: Die EU-Kommission kritisiert in ihrem Fortschrittsbericht, dass die Lage der Menschenrechte in der Türkei in vielen Bereichen noch immer nicht europäischen Standards entspreche. Genannt werden unter anderem Meinungs- und Religionsfreiheit.
Dezember 2006: Die EU-Staats- und Regierungschefs beschließen die Aussetzung von acht Verhandlungskapiteln mit der Türkei, weil Ankara sich weiter weigert, zyprischen Schiffen und Flugzeugen den Zugang zu Häfen und Flughäfen zu gewähren.
31. August 2007: Der wiedergewählte Regierungschef Erdogan kündigt eine Erhöhung des Reformtempos an.
November 2007: Die EU-Kommission attestiert für das abgelaufene Jahr eine Verlangsamung des Reformtempos.
Februar 2008: Gegen den erbitterten Widerstand der Opposition verabschiedet das türkische Parlament das sogenannte Stiftungsgesetz, das die Eigentumsrechte der christlichen und jüdischen Minderheiten ausweitet.
November 2008: Die EU-Kommission begrüßt Fortschritte bei der Religionsfreiheit in der Türkei, ruft das Land aber zu neuem Schwung bei den Reformen auf.
Bis 2013 werden 13 von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln eröffnet, eines wird abgeschlossen.
Juni 2013: Erdogan lässt landesweite Proteste gegen seine Politik mit Polizeigewalt niederschlagen. In der EU herrscht Uneinigkeit darüber, ob deshalb wie vorgesehen ein neues Beitrittskapitel zur "Regionalförderung" eröffnet oder die Verhandlungen eingefroren werden sollten. Die Bundesregierung gibt ihren Widerstand gegen weitere Beitrittsgespräche nach einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg auf.
(KNA - nkqmp-89-00044)
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