Jerusalems Muslime begehen die längsten Ramadantage seit Jahren
KNA 24.07.2013
Von Andrea Krogmann (KNA)
Jerusalem/Kufr al-Malak (KNA) Es ist heiß in Eyads Laden. Große Kochplatten füllen den kleinen Raum in der Jerusalemer Altstadt. Im Sekundentakt produzieren Eyad und sein Team Katayef, eine traditionelle Ramadansüßigkeit aus kleinen Pfannkuchen, süßem Käse und Nüssen. "Ein bisschen hart ist es schon", sagt Eyad lachend. Den ganzen langen Arbeitstag steht er im heißen Duft der Pfannkuchen - ohne selber essen oder trinken zu dürfen. "Im Ramadan haben wir am meisten zu tun, wir arbeiten von acht Uhr in der Frühe bis kurz vor dem Fastenbrechen am Abend."
Es sind die längsten Fastentage seit 30 Jahren: 15 Stunden und 44 Minuten lagen am ersten Tag des Ramadans zwischen Sonnenaufgang- und Sonnenuntergang, nur 42 Minuten weniger werden es zum Ramadanende noch sein. Trotzdem scheint die Julihitze das Geschäftsleben in den Altstadtgassen noch anzuheizen. Datteln, Süßigkeiten und bunte Lichterketten dominieren das Bild in den arabischen Stadtteilen. Menschenmassen - an ihren fremden Gewändern als muslimische Pilger aus aller Welt erkennbar - schieben sich im Takt der Koransuren vom Tonband vorbei an Verkaufsständen. Jerusalem gleicht einem Rummelplatz. Selbst Ramadan-Schokohasen gibt es: Sie erinnern an das bunte Miteinander der Kulturen und Religionen in der Stadt, vor dem auch der heiligste der muslimischen Monate nicht gefeit ist.
Erst kurz vor Sonnenuntergang ändert sich die Stimmung. Schlagartig wird es still. Wer kann, ist vor dem Böllerschuss zu Hause, der in Jerusalem täglich das Ende des Fastens verkündet. Dann treffen sich die Familien zum Iftar, dem Fastenbrechen. "Jeden Abend gibt es etwas Besonderes zu Essen", sagt Eyad.
Auch bei Misada, einer 35-jährigen Frau im palästinensischen Dorf Kufr al-Malak, versammelt sich abends die Großfamilie. Zu ihren eigenen fünf Kindern kommen die Eltern ihres Mannes, die Schwägerin mit Nichten und Neffen sowie eine Gruppe brasilianischer Studentinnen. Gastfreundschaft gilt besonders während des heiligen Monats. Traditionell wird das Fasten mit einem Gebet und einer Dattel gebrochen, gegessen wird schnell und beinahe schweigend.
"Ramadan ist eine besondere Zeit", sagt Misada. Das gilt auch für die sonst schwierige Einreise nach Jerusalem. Während der Fastenzeit können Muslime aus dem Westjordanland leichter in die Heilige Stadt. Zum Freitagsgebet in der Al-Aksa-Moschee hat es Misada in diesem Jahr trotzdem noch nicht geschafft. Stattdessen bereitet sie mit stundenlangem Aufwand das traditionelle Gericht Maqlube zu, ein typisch arabisches Essen mit Reis, Gemüse und Hähnchen. "Es ist schön, weil die Menschen in dieser Zeit zusammenkommen, vor allem die Familien", sagt Misada. "Dass während des Ramadan Unmengen gegessen werden, ist ein Mythos", sagt Raed, Besitzer eines kleinen Souvenirladens im christlichen Altstadtviertel Jerusalems. "Es wird viel aufgetischt, aber nach dem langen Tag verträgt der Magen nur wenig." Dass er bei seiner Arbeit viele Touristen essen und trinken sieht, macht ihm nicht viel aus. Nur jemanden rauchen zu sehen, falle ihm schwer. Ansonsten kann Raed dem Fasten viel abgewinnen. "Es öffnet uns Herz und Kopf, wir denken über uns nach und unsere Gebete werden eher erhört", erklärt er. Es geht um "Zeit für Gott und für das Gebet, um Vergebung". Obwohl er sonst selten in die Moschee geht, verbringt Raed während des heiligen Monats viele Stunden mit Koranlektüre.
In Misadas Haus in Kufr al-Malak wird unterdessen die Nacht zum Tag. Bis in die frühen Morgenstunden sitzen Familie und Gäste diskutierend und lachend im Hof. Während die Erwachsenen Kaffee genießen, freuen sich die Kinder über Eis und sind stolz, wie die Großen das Fasten einzuhalten. Als letzten Gang serviert Misada die süßen Katayef-Pfannkuchen - bevor sie sich für drei Stunden aufs Ohr legt. Ihre Tochter Rand wird aufbleiben, um ihre Geschwister zum Frühstück vor dem nächsten Fastentag zu wecken. Die Kinder haben in diesem Jahr Glück: Zwar fällt der Ramadan in die heißeste Jahreszeit, aber dafür sind Schulferien. Tagsüber wird geschlafen.
(KNA - nkrmn-89-00131)
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