Verfassungsschutz warnt vor Anwachsen der Salafisten-Szene
KNA 10.06.2013
Von Johannes Nitschmann (KNA)
Düsseldorf (KNA) Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger ist besorgt: Die extremistischen Salafisten haben in Nordrhein-Westfalen immer mehr Zulauf. Bis Jahresende werde sich die Zahl der von den Sicherheitsbehörden erfassten Salafisten landesweit auf 1.500 zubewegen, hieß es am Montag bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichtes. Dies entspricht einer Verdreifachung dieser fundamentalistischen Szene an Rhein und Ruhr innerhalb von nur zwei Jahren.
Jeder zehnte Salafist ist laut Verfassungsschutz gewaltbereit und propagiert den Dschihad, den sogenannten "heiligen Krieg". Regionale Hochburgen der selbsternannten Gotteskrieger sind in NRW Aachen, Bonn, Solingen und das Ruhrgebiet. Offenkundig verstehen die Salafisten zunehmend auch den "Straßenkampf" in Deutschland. Dies sei "ein neues Phänomen", heißt es im 158-Seiten-Bericht. In der Vergangenheit hätten Salafisten die Teilnahme am politischen Geschehen eher abgelehnt. Dies habe sich in jüngerer Zeit bei etlichen Ausschreitungen am Rande von Demonstrationen deutlich geändert.
Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes ist der Salafismus von seinem personellen Potenzial "für eine weitere Radikalisierung und eine offene Agitation auf der Straße im Prinzip offen". Derzeit sei aber nicht abzuschätzen, ob von den maßgeblichen Predigern "eine offene Konfrontation mit dem deutschen Staat" eingegangen werde. Die "radikalsten Rädelsführer" seien seit Sommer 2012 in den Nahen Osten und nach Nordafrika ausgereist, um dort ihre Fantasien auszuleben. 2012 sind den Behörden 40 dschihadistisch motivierte Ausreisen aus NRW bekannt geworden. Im laufenden Jahr gingen bisher 20 junge Männer nach Mali und Syrien, um sich für den Kampf ausbilden zu lassen.
Salafisten verstehen die islamische Religion nach dem Bericht als Ideologie, Ordnungs- und Herrschaftssystem, das unvereinbar mit der im Grundgesetz verankerten parlamentarischen Demokratie sei. Gesetze könnten der salafistischen Ideologie zufolge nur von Gott und niemals vom Volk gemacht werden.
Verführerisch sei die "Schwarz-Weiß-Ideologie" vor allem für junge Männer, denen Anerkennung und familiäre Geborgenheit fehle, erklärte NRW-Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier. "Es sind scheinbar einfache Antworten auf komplexe Lebensfragen." Ihre Propaganda verbreiteten die Salafisten vor allem über das Internet und in privaten Hinterhof-Gebäuden. Aber auch in etlichen Moscheen predigten radikale Fanatiker. Von den 850 Moscheen in NRW sind wegen Salafismusverdacht "20 bis 30" im Visier des Verfassungsschutzes. Bei der Aufklärung über den Salafismus kommt den Moscheevereinen und Imamen nach Ansicht Jägers eine maßgebliche Rolle zu. "Sie sind besonders wichtig, weil sie glaubwürdig vermitteln können, dass religiöser Fanatismus und Gewalt nicht zum Islam gehören."
Mit ihrem neuen Präventionsprogramm "Wegweiser" will die Landesregierung verhindern, dass Jugendliche in die salafistische Szene abgleiten. Schulen, Sozialämter, Beratungsstellen und Moscheevereine sollen zusammenarbeiten, um "passgenaue Hilfen" für bedrohte Jugendliche zu organisieren. Das Projekt soll zunächst in Bonn, Bochum und Düsseldorf starten und mit Hilfe der islamischen Verbände weiter ausgebaut werden. Der Salafismus bleibe im besonderen Fokus des Verfassungsschutzes, versicherte Jäger. "Nicht nur Boston, London und Paris, auch wir in Nordrhein-Westfalen stehen im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus."
(KNA - nkqlk-89-00078)
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