Bundesweit erstes interreligiöses Gotteshaus in der Diskussion
KNA 13.05.2013
"Laboratorium" des Dialogs
Bundesweit erstes interreligiöses Gotteshaus in der Diskussion
Von Gregor Krumpholz (KNA)
Berlin (KNA) Es ist ein bundesweit einmaliges Projekt. In Berlin wollen Juden, Christen und Muslime erstmals ein gemeinsames Gotteshaus errichten. Nach einem Architektenwettbewerb steht die äußere Form für das "Bet- und Lehrhaus Petriplatz" bereits fest. Mit einer Reihe von Podiumsdiskussionen stellen die Träger nun ihr Konzept zur öffentlichen Debatte. Die Initiative zu dem Projekt kam von der Evangelischen Innenstadtgemeinde Sankt Petri-Sankt Marien. Sie gewann dafür auch die Jüdische Gemeinde, das Rabbiner ausbildende Abraham-Geiger-Kolleg und das muslimische "Forum für Interkulturellen Dialog" als weitere Träger.
Ihr ungewöhnliches Gotteshaus planen sie anstelle der früheren evangelischen Petrikirche. Die DDR-Regierung hatte deren Ruine nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1964 beseitigen lassen. Dort soll nun der Sakralbau mit getrennten Gebetsräumen für Juden, Christen und Muslime und einem gemeinsamen Raum für Begegnungen entstehen, wenn sich die erforderlichen Spender und Sponsoren finden. Bei einem Architekturwettbewerb ging der erste Preis im vergangenen Jahr an das Berliner Büro Kuehn Malvezzi. Es entwarf einen dreistufigen Ziegelbau in kubischen Formen, mit 44 Meter doppelt so hoch wie die Bauten der Umgebung. Bald nach Vorstellung des Projekts war in der Öffentlichkeit von einer "gebauten Ringparabel" die Rede.
Die Anspielung auf das bekannte Bühnenstück "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781), das für Toleranz zwischen den Religionen wirbt, gab auch den Titel für den Auftakt der neuen Gesprächsreihe am Freitagabend im renommierten Deutschen Theater Berlin. Gastgeber Ulrich Khuon interpretierte die Einladung in den "säkularen Raum" des Theaters als zeichenhaft für das Projekt. Es dürfe nicht nur um den Dialog der Religionen untereinander gehen, forderte der Intendant, sondern auch um das Gespräch mit der nichtreligiösen Mehrheit in der Metropole. Deren demonstrativ bekundete Toleranz sei oft nur ein "unglaubliches Desinteresse" an der Religion, ohne dass die säkulare Gesellschaft tragfähige Alternativen bieten könne, kritisierte Khuon.
Architekt Wilfried Kuehn hob das Bemühen um Gleichrangigkeit im Baukonzept hervor. Die drei Gottesdiensträume und der sie verbindende Saal lägen deshalb auf einer Ebene, betonte er. Die Architektur könne den inhaltlichen Anspruch des Bet- und Lehrhauses zwar nicht sicherstellen, wohl aber zum Ausdruck bringen. Julius H. Schoeps von der Moses-Mendelssohn-Stiftung warnte vor überzogenen Erwartungen. "Der Wahrheitsansspruch jeder Religion ist letztlich nicht auflösbar", gab er zu bedenken. Ziel könne deshalb realistischerweise nur sein, "auf Augenhöhe miteinander zu reden und einander zuzuhören", sagte Schoeps, der auch das Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum für europäisch-jüdische Studien leitet. "Wenn sich das umsetzen läßt, wäre es aber eine großartige Sache."
In Politik und Gesellschaft trifft das Projekt bereits auf "überwältigende Zustimmung", wie Roland Stolte vom Vorstand des Trägervereins versichert. So gehören dem Kuratorium Kulturstaatssekretär Andre Schmitz (SPD), der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, und RBB-Intendantin Dagmar Reim an.
Kritische Anfragen kommen nach Stoltes Worten jedoch aus den Religionsgemeinschaften selbst. "Manche befürchten eine Vermischung", räumte der evangelische Theologe ein. "Es wird aber keinen Eintopf geben", versucht er solche Ängste auszuräumen. Er sieht das Bet- und Lehrhaus als "Laboratorium", zu dem auch weitere Konfessionen wie die Katholiken eingeladen seien. Dort könnten Christen etwa den "sinnlichen" Umgang der Muslime mit dem Koran als Anregung für ihre eigene Glaubenspraxis kennenlernen. Auch Kadir Sanci vom islamischen "Forum für interkulturellen Dialog" hegt große Hoffnungen in das Projekt. Es sei "Zeichen einer ausgestreckten Hand", erklärte er. "An Stelle des Nebeneinanders tritt dort das Miteinander."
(KNA - nkpll-89-00004)
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