Irakischer Patriarch: Militärschlag in Syrien wäre "großes Unheil"
KNA 28.08.2013
Vatikanstadt/Moskau (KNA) Der chaldäische Patriarch Louis Raphael Sako hält ein mögliches militärisches Eingreifen des Westens in Syrien für "großes Unheil". Ein solcher Schritt wäre wie ein "Vulkanausbruch", der den Irak, den Libanon und die Palästinensergebiete überrolle, sagte Sako dem vatikanischen Pressedienst Fides (Mittwoch). Er äußerte zudem Zweifel an der Rechtfertigung einer möglichen Militärintervention mit dem Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Armee: "Auch das westliche Eingreifen gegen Saddam wurde damit gerechtfertigt, dass dieser angeblich Massenvernichtungswaffen besaß. Doch diese Waffen wurden nie gefunden", so das Oberhaupt der größten christlichen Kirche im Irak.
Das Moskauer Patriarchat verurteilte am Mittwoch die Androhung eines einseitigen Militärschlags gegen Syrien ohne UNO-Mandat scharf. "Auf dem Altar einer imaginären Demokratie" sollten "weitere Opfer dargebracht werden", sagte der Außenamtsleiter des Patriarchates, Metropolit Hilarion, dem Pressedienst Asianews. Er warf den USA vor, "sowohl die Christen als auch die Muslime in Syrien zu opfern". Die russisch-orthodoxe Kirche sei "tief besorgt" über die möglichen Entwicklungen. "Einmal mehr, so wie im Fall Irak, verhalten sich die USA wie ein internationaler Strafgerichtsvollzieher", kritisierte der hochrangige Kirchenmann. Das sei nicht hinnehmbar. Hilarion betonte, eine bewaffnete Intervention würde Tausende zusätzlicher Opfer hervorrufen. Am stärksten müssten dafür die Christen bezahlen, "um die sich aber niemand schert".
Nach Einschätzung des russischen Metropoliten würde ein Militärschlag die Christen zu Geiseln extremistischer und radikaler Kräfte machen. Denn es seien gerade diese Kräfte, die in der Folge die Macht ergreifen würden - und zwar mit militärischer Hilfe der USA. Hilarion appellierte an die internationale Gemeinschaft, dieses Horrorszenario zu vermeiden. Patriarch Sako warnte vor der Vorstellung, man könne Demokratie und Freiheit mit Waffengewalt erzwingen. Hierzu seien längerfristige historische Prozesse notwendig. Der einzige Weg aus dem Syrien-Konflikt seien Verhandlungen zwischen den Kampfparteien mit dem Ziel, eine provisorische Regierung aus Vertretern des Regimes und der Rebellen zu bilden. Sako verwies auf die schlechten Erfahrungen mit der US-Militärintervention in seinem Heimatland Irak. "Zehn Jahre nach dem Eingreifen der sogenannten 'Koalition der Willigen' zum Sturz des Saddam-Regimes ist unser Land immer noch von Bomben gemartert, und es gibt Sicherheitsprobleme, Instabilität und eine Wirtschaftskrise", so der Patriarch. Im Fall Syriens lägen die Dinge noch komplizierter, da die Opposition in mehrere Gruppen gespalten sei.
Auch Vertreter des Klosters im syrischen Dair Mar Musa lehnten im Gespräch mit Fides einen Militärschlag des Westens ab. Man lehne jede Form von Gewalt ab, so der Leiter der Gemeinschaft, Jacques Mourad. Im gleichen Sinne äußerte sich Schwester Houda Fadoul, die der Schwesterngemeinschaft von Dair Mar Musa vorsteht. Das Kloster von Dair Mar Musa war 1982 von dem vor rund einem Monat in Syrien entführten italienischen Jesuitenpater Paolo Dall'Oglio gegründet worden. Sein Schicksal ist weiter ungewiss.
(KNA - nksms-89-00112)
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