Vorwurf der Tatenlosigkeit gegen Nigerias Regierung
KNA 25.04.2014
Von Katrin Gänsler (KNA)
Abuja (KNA) In Nigeria fehlt offenbar weiter jede Spur von den mehr als 200 Schülerinnen, die Mitte April aus einem Internat im Bundesstaat Borno entführt wurden. Nun soll das Militär alles tun, um die Mädchen zu retten, die - so ist man sicher - in die Fänge der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram geraten sind.
Für viele Menschen kommt dieser Schritt, der zu den zentralen Erklärungen der nationalen Sicherheitskonferenz am Donnerstag in der Hauptstadt Abuja gehörte, indes viel zu spät. Deren Teilnehmer - Staatspräsident, Gouverneure und religiöse Vertreter - betonten, die Rettung der entführten Schülerinnen habe oberste Priorität, ja sei das beherrschende Thema im größten Staat Afrikas.
Vor allem im Bundesstaat Borno war das Vorgehen der Behörden in den vergangenen Tagen wiederholt scharf kritisiert worden. So organisierten verschiedene Frauenrechtsgruppen Aktionen, um auf die entführten Mädchen aufmerksam zu machen. Der Regierung in Abuja werfen sie laut einem Bericht der Online-Zeitung "Premium Times" Tatenlosigkeit vor.
Der Fall gehört wohl zu den spektakulärsten Entführungsfällen in Nigeria überhaupt. In der Nacht zum 15. April wurden weit über 200 Schülerinnen einer weiterführenden Chibok Government Girls Secondary School aus dem angeschlossenen Internat entführt. Es dauerte allein eine Woche, bis überhaupt klar war, wie viele Mädchen zwischen 16 und 18 Jahren tatsächlich vermisst werden. Mittlerweile geht man davon aus, dass die Entführer nach wie vor 230 von ihnen in ihrer Gewalt haben. Etwa 40 weiteren - so heißt es zumindest - soll die Flucht gelungen sein. Einige der Mädchen sagten nigerianischen Medien, sie seien offenbar in den Sambisa Forest gebracht worden, ein Waldgebiet im Bundesstaat Borno.
Bislang hat sich die islamistische Terrorgruppe Boko Haram (übersetzt etwa "Westliche Bildung ist Sünde") noch nicht zu der Entführung bekannt. In Nigeria gilt es aber als wahrscheinlich, dass die Gruppe die Verantwortung dafür trägt. Bereits 2013 hatte sie wiederholt Schulen im Norden des Landes angegriffen und sich somit "weiche Ziele" gesucht, die nicht durch Militär oder Polizei geschützt werden. Am Tag vor der Entführung hatten Boko-Haram-Anhänger bereits in der Hauptstadt Abuja einen Busbahnhof angegriffen. Während zweier fast zeitgleicher Explosionen kamen dabei 74 Menschen ums Leben; mehr als 120 wurden verletzt.
Für die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz ist mittlerweile klar: "Boko Haram führt keinen Religionskrieg", so der Gouverneur des Bundesstaates Ekiti, Kayode Fayemi. Muslime und Christen seien gleichermaßen betroffen und würden zu Opfern des Terrors. Die Christliche Vereinigung Nigerias (CAN), der offizielle Zusammenschluss aller christlichen Kirchen im Land, hatte das in der Vergangenheit immer wieder vehement bestritten. Opfer und Ziel des islamistischen Terrors seien Christen; Muslime würden nur durch Zufall zu Opfern. Diese These sorgte wiederholt für Spannungen.
Alarm hatte in den vergangenen Tagen auch der nationale Notfalldienst NEMA geschlagen. In ihrem am Donnerstag veröffentlichten Bericht heißt es, dass das Gesundheitssystem vor allem im Bundesstaat Borno "völlig zusammengebrochen" sei. Aufgrund der unsicheren Lage sind demnach bereits 37 Prozent aller Krankenstationen geschlossen. Besonders betroffen seien gerade jene Orte, die ohnehin schon im Visier von Boko Haram waren.
Noch existierende Krankenstationen werden nun laut dem Notfalldienst von Patienten überrannt. Einen großen Teil der Patienten machten Binnenflüchtlinge aus. In Nigeria geht man davon aus, dass seit Jahresbeginn bereits mehr als 250.000 Menschen aufgrund der Anschlagsgefahr durch Boko Haram ihre Heimatorte verlassen haben.
(KNA - okomp-89-00085)
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