Syrische Christen haben nach Genf Glauben an den Westen verloren
KNA 07.03.2014
"Spaltung unter Freunden und Brüdern"
Syrische Christen haben nach Genf Glauben an den Westen verloren
Von Karin Leukefeld (KNA)
Qaryatayn (KNA) Die Straße von Homs nach Palmyra, der legendären Königsstadt in der östlichen Wüste Syriens, ist wenig befahren. Sie führt ostwärts durch Obstplantagen, nur eine Reihe von Kontrollpunkten unterbricht die Fahrt. Bald fällt die Mobilfunkverbindung aus, die Landschaft wird karg und die Wüste beginnt, die sich von hier bis an die Grenze zur irakischen Grenze und weit darüber hinaus erstreckt. An einem Militärstützpunkt biegt eine kleine Landstraße nach Süden ab, Richtung Qaryatayn, zur Stadt der zwei Quellen.
Rund 30.000 Menschen leben in Qaryatayn, darunter auch syrisch-orthodoxe und syrisch-katholische Christen. Als vor zwei Jahren die Kämpfe in Baba Amr (Homs) zu toben begannen, flüchteten sich viele Menschen nach Qaryatayn, das weit genug von der Kampfzone entfernt schien. Doch dann wurde die Stadt zum Knotenpunkt für illegale Waffenlieferungen aus der Türkei und aus dem Irak; bald darauf folgten Kämpfer der "Freien Syrischen Armee". Die syrischen Streitkräfte umzingelten den Ort und drohten mit einem Angriff.
Dank des beherzten Eingreifens örtlicher Geistlicher blieb die Zerstörung aus. Pater Jacques Mourad vom syrisch-katholischen Kloster Deir Mar Elian und Scheich Asad, Mufti der Sunniten von Qaryatayn, konnten die Bewaffneten mit Unterstützung angesehener Persönlichkeiten des Ortes überzeugen, die Stadt zu verlassen. Einige Zeit herrschte gespannte Stille, bis im Sommer schließlich ausländische Kämpfer Armeestellungen angriffen. Die Menschen flohen in Scharen. Etwa 4.000, zumeist Muslime, fanden Zuflucht im Kloster, das seine Tore und auch die Kirche für die Schutzsuchenden öffnete. Erst drei Monate später konnten die Menschen nach Hause zurückkehren.
Verlassen liegen die Außenbezirke mit ihren Kampfspuren. Werkstätten sind geschlossen, Sandbarrikaden zwingen passierende Autos, im Slalom und langsam zu fahren. Das Kloster Deir Mar Elian liegt einen knappen Kilometer außerhalb der Stadt. Umgeben von Aprikosen-, Olivenhainen und Weinstöcken duckt sich der niedrige Bau in den Wüstensand. Bis vor wenigen Tagen hätten noch 400 Menschen im Kloster gelebt, berichtet Pater Jacques. Sie seien vor Kämpfen zwischen ausländischen Gruppen und den syrischen Streitkräften geflohen. Die Armee habe die ausländischen Kämpfer in die Qalamoon-Berge abgedrängt, wo nun eine neue Schlacht tobe. Die Aufnahme der Flüchtlinge im Kloster sei vor allem durch die großzügige Hilfe von Kirchen in Europa möglich gewesen.
Nach den Gesprächen in Genf hätten die Syrer alles Vertrauen in die internationale Gemeinschaft verloren, sagt Pater Jacques ruhig. Christen und Muslime hofften nur noch auf Gott. Viele Menschen verließen Syrien, vor allem die Christen: "Nicht weil es ihnen gefällt, sondern weil sie alles verloren haben. Sie haben keine Hoffnung mehr." Die "tiefste Wunde für uns ist die Spaltung unter Freunden und Brüdern", fährt der Pater fort. "Seit Jahrtausenden leben wir hier zusammen. Nie haben wir in Kategorien gedacht, wonach einer Sunnit, einer Christ, einer Schiit oder Alevit ist." Alle politischen Akteure aber hätten diese Unterschiede für ihren Kampf instrumentalisiert; so hätten sie das syrische Volk geschwächt.
Am nächsten Morgen fährt Pater Jacques mit einem syrisch-orthodoxen Ordensbruder ins Stadtzent-rum von Qaryatayn, wo Militär, Polizei und die Baath-Partei alles für eine große Bürgerversammlung vorbereitet haben. Zögernd steigt Pater Jacques die Stufen zum Gebäude der Baath-Partei empor. Als er schließlich spricht, wird es stiller in der Menge.
Vielen Menschen spricht er aus der Seele, als er die Regierung in Damaskus zu "ernsthafter und schneller Versöhnung" auffordert. Allen Menschen müsse Bewegungsfreiheit garantiert werden, Vertriebene müssten zurückkehren, Gefangene freigelassen werden, fordert Pater Jacques mit fester Stimme. Diebstahl und Zerstörung privaten Eigentums müssten aufhören, und die Armee solle alles dafür tun, dass sie "den Menschen in guter Erinnerung bleibe, wenn sie nach Hause zurückkehren". Doch all das scheint noch sehr fern in Qaryatayn.
(KNA - oknkp-89-00088)
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