Hohe politische Erwartungen an Papstbesuch in Palästina

KNA 23.05.2014
Von Andrea Krogmann (KNA)
Bethlehem (KNA) Letzte Vorbereitungen in Bethlehem: Die Geburtsstadt Jesu wartet auf den Papst. Es ist Franziskus' erste Reise ins Heilige Land. Für die palästinensischen Christen bietet die Messe auf dem Krippenplatz zugleich die einzige Gelegenheit, "ihren" Papst willkommen zu heißen. Voller Stolz präsentiert sich der "Staat Palästina" mit den Konterfeis von Franziskus und Palästinenserchef Abbas. Es sei eine Pilgerreise, ein spiritueller Besuch ohne politische Agenda, hatte das Kirchenoberhaupt im Vorfeld wiederholt betont. Der Ablauf der Reise, heißt es aus dem Vatikan, sei praktischen Erwägungen und dem Protokoll geschuldet. In Bethlehem sieht man das anders.
62 Kilometer bereits existierende, im Bau befindliche oder geplante Sperranlagen, sechs Checkpoints, drei Flüchtlingslager: Die Karte zu Franziskus' Reiseroute durch Bethlehem, die die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO beim Pressebriefing kurz vor dem Papstbesuch aushändigt, spricht für sich. "Die 21 israelischen Siedlungen ringsherum sind das erste, das Papst Franziskus von Bethlehem zu sehen bekommt", sagt PLO-Mediensprecher Xavier Abu Eid. Und Nivin Sarraj, am Präsidentenpalast für das Protokoll zuständig, meint, die wichtigste politische Dimension des Besuches liege darin, dass Franziskus' nach Bethlehem kommt. "Besonders stolz sind wir, dass er direkt von Jordanien aus nach Bethlehem kommen wird."
Franziskus ist der erste Papst, der die direkte Einreise nach Palästina wählt. Das wertet man in Palästina auch als ein deutliches Zeichen politischer Anerkennung. Für die Bewohner von Bethlehem kommt Franziskus nicht nur als Kirchenführer, sondern auch als Staatschef auf Staatsbesuch.
Palästinensische Flüchtlinge aus dem Aida-Camp und dem Lager Al-Azzeh werden den Weg des Papstkonvois vom Präsidentenpalast zum Krippenplatz in Bethlehem säumen. 70 Prozent der Palästinenser, auch der palästinensischen Christen, so betont Abu Eid, seien Flüchtlinge. Wenn Franziskus in Dheisheh, dem dritten Flüchtlingslager Bethlehems, auf rund 100 palästinensische Schulkinder trifft, werden großformatige Fotoinstallationen mit Bildern aus der "Nakba", der großen Vertreibung durch Israel, sowie Szenen der Besatzungsrealität das Kirchenoberhaupt umrahmen. "Wir wollten Bilder, die der Welt von unserer Situation der andauernden Besatzung und des Leidens erzählen", begründet der Initiator der Ausstellung und Leiter des "Palestine Museum", Jack Persekian, die Aktion.
Noch weit sichtbarer für die Weltöffentlichkeit wird ein zweiter Bilderzyklus auf dem Krippenplatz sein: barocke Szenen aus dem Leben Jesu, in einer Fotomontage vereint mit Szenen des palästinensischen Kampfes gegen die Besatzung. Bethlehems Bürgermeisterin Vera Baboun sagt, sie erwarte vom Papst, dass er das Lebensrecht Palästinas betone: "Nach der Zuerkennung des Beobachterstatus bei der UNO, dem Scheitern der Friedensgespräche mit Israel und der Aussöhnung von Fatah und Hamas ist dies der richtige Moment. Ich hoffe, er sieht ihn."
Franziskus kommt als Pilger. Gleichzeitig gibt es kaum einen Akt im vom palästinensisch-israelischen Konflikt geprägten Heiligen Land, der frei von politischen Anklängen wäre. So formulierten 20 palästinensische Priester einen Appell, mit dem sie sich gegen die eingeschränkte Bewegungsfreiheit und den schwierigen Zugang zu Jerusalem an den Papst wandten. Wie die Mehrheit der palästinensischen Christen seien sie der "unerträglichen Einengung" müde, schreiben die Priester. Sie bringen zum Ausdruck, was viele in Palästina beschäftigt: "Kann der Heilige Vater einige Stunden im Heiligen Land verbringen, ohne ein Wort über diese symbolträchtige Realität der Ungerechtigkeit zu sagen, die einem Volk als Gefangene im eigenen Land geschieht?"
Handfest wird diese Untrennbarkeit von Religion und Politik in einer Initiative der Christlich-Ökumenischen Heilig-Land-Stiftung (HCEF): Ein Kreuz, gefertigt aus Betonpartikeln, die aus der israelischen Sperrmauer gehauen wurden, soll Franziskus auch nach seiner Rückkehr nach Rom an das Leiden der Palästinenser erinnern und die Welt für die "palästinensische Sache" sensibilisieren.
(KNA - okpmn-89-00013)

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