Die philippinische Kirche prägt Politik und Gesellschaft
KNA 30.12.2014
Von Christoph Schmidt (KNA)
Bonn (KNA) Wenn Papst Franziskus am 15. Januar in der philippinischen Hauptstadt Manila landet, erwartet ihn ein viertägiges Heimspiel, 10.000 Kilometer entfernt von Rom. Mit einem Katholikenanteil von 80 bis 85 Prozent ist der Inselstaat das einzige asiatische Land neben Osttimor mit katholischer Bevölkerungsmehrheit. Trotz einer säkularen Verfassung spielt die Kirche der Philippinen sowohl im politischen Leben wie im Alltag der Menschen eine einflussreichere Rolle als in jeder anderen katholisch geprägten Gesellschaft. Seit Monaten ist der Besuch des Papstes, der zuvor drei Tage lang Sri Lanka bereist, zentrales Thema in den Medien. Zwei von drei Philippinern gehen laut Umfragen regelmäßig in den Sonntagsgottesdienst. Als "devot" und "naiv-katholisch" etikettieren westliche Stimmen diesen Glauben zuweilen. Doch die starke Volksfrömmigkeit enthält auch ganz "unrömische" und abergläubische Elemente aus den vorchristlichen Stammesreligionen des Archipels. Die spanischen Kolonialherren, die seit dem 16. Jahrhundert den katholischen Glauben mit Hilfe von Dominikanern, Franziskanern und Jesuiten verbreiteten, konnten den Synkretismus nie ganz unterbinden.
Im Vatikan herrschte lange Misstrauen gegen den indigenen Klerus. Erst im frühen 20. Jahrhundert ernannte Rom die ersten einheimischen Bischöfe. Spanien hatte die Kolonie 1898 im Krieg gegen die USA verloren, deren protestantische Kirchen eine breit angelegte, doch erfolglose Reformation versuchten. Anders als in lateinamerikanischen oder afrikanischen Staaten verzeichnen die meist aus den USA finanzierten evangelikal-charismatischen Bewegungen in den Philippinen bis heute nur bescheidene Ergebnisse. Die verelendeten Massen des 100-Millionen-Volkes bieten aber auch hier ein Potenzial für Missionserfolge.
Das Armutsproblem, das sich nach der Unabhängigkeit 1946 rasant verschärfte, bleibt die größte Herausforderung für die philippinische Kirche. Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) galt sie als sozial konservative Kraft mit Nähe zu den oligarchischen Familien der Großgrundbesitzer. Danach wandelte sie sich zur Anwältin der Besitzlosen und zur Vorkämpferin gegen die strukturellen Ursachen der Massenarmut: das Ausbleiben einer Bodenreform, die Ausbeutung der philippinischen Rohstoffe durch internationale Konzerne und die Konzentration des Reichtums in den Händen einer kleptomanischen Elite. Bischöfe, Orden und die in großer Zahl entstehenden Basisgemeinden zogen dazu oft an einem Strang. Freilich gab und gibt es auch immer wieder innere Auseinandersetzungen über befreiungstheologische Ansätze, die bis zur Zusammenarbeit von Priestern und Ordensleuten mit kommunistischen Rebellen reichten.
Gleichzeitig engagierte sich die Kirche seit den 1970er Jahren verstärkt für Demokratie und Menschenrechte. Der Sturz der Marcos-Diktatur 1986, auch "Rosenkranz-Revolution" genannt, wäre nach Ansicht der meisten Beobachter ohne die wachsende Opposition der katholischen Bischöfe nicht möglich gewesen, die schließlich Millionen Philippiner zum gewaltfreien Aufstand aufriefen. Trotzdem bleiben die Philippinen eines der weltweit korruptesten Länder. Wenige Clans bestimmen über Macht und Ressourcen, und ein Drittel der Menschen lebt unter der Armutsgrenze.
Weil ein Grund dafür auch das hohe Bevölkerungswachstum ist, wurde die Kirche für ihren Kampf gegen Empfängnisverhütung zuletzt hart kritisiert. Gegen ihren heftigen Widerstand brachte die Regierung von Staatspräsident Benigno Aquino vor zwei Jahren ein sogenanntes Reproduktionsgesetz durch, das die Verteilung von Kondomen fördert. Abtreibung und Scheidungen bleiben indessen verboten.
Dennoch: Auch weiterhin dürfte die Kirche auf den Philippinen ein zentraler gesellschaftlicher Akteur und Partner der Politik bleiben. Der Staat braucht sie nicht nur als Ersatz für das fehlende Sozialsystem, sondern auch als Vermittlerin im blutigen Konflikt mit kommunistischen Kämpfern und den islamischen Rebellen. Aus Sicht der Weltkirche bleibt der philippinische Klerus außerdem Schrittmacher für die Evangelisierung der Pazifikregion.
(KNA - olmmt-89-00061)
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