Papst ruft Staatengemeinschaft zu Einschreiten im Nordirak auf
KNA 07.08.2014
Vatikanstadt/Bonn (KNA) Papst Franziskus hat die internationale Gemeinschaft in einem dramatischen Appell aufgerufen, das "humanitäre Drama" im Nordirak zu beenden und die von Gewalt und Vertreibung betroffenen Menschen zu schützen. Überlebensnotwendige humanitäre Hilfe müsse die Flüchtlinge erreichen können, erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi am Donnerstag. Papst Franziskus sei tief betroffen über die Lage im Nordirak, erklärte der Sprecher. Dabei denke der Papst besonders an die christlichen Gemeinden.
In der Nacht zu Donnerstag hatte die Terrormiliz "Islamischer Staat" laut unterschiedlichen Berichten auch die letzten christlichen Orte in der Region um Mossul erobert und Zehntausende Christen in die Flucht getrieben. Der chaldäische Patriarch Louis Raphael I. Sako rief erneut die internationale Gemeinschaft um Hilfe an. Die IS-Kämpfer hätten auch Kirchen besetzt, Kreuze abgenommen und religiöse Schriften verbrannt. Die Menschen seien teils zu Fuß in die Kurdengebiete bei Dohuk und Erbil unterwegs, nachdem sie ihre Fahrzeuge an Kontrollpunkten hätten zurücklassen müssen, sagte Sako am Donnerstagmorgen in einem Telefonat mit der Hilfsorganisation "Fraternite en Irak" in Paris.
IS-Milizen waren am späten Mittwochabend in Qaraqosh (Karakosch) einmarschiert und hatten die christliche Bevölkerung mit Lautsprechern zum Verlassen der Stadt aufgefordert, wie der vatikanische Pressedienst Fides (Donnerstag) unter Berufung auf eine ansässige Ordensfrau berichtete. Die Menschen seien "gezwungen gewesen, im Pyjama zu fliehen". In den christlichen Orten um Ninive hätten in den vergangenen Wochen viele Christen aus Mossul Schutz gesucht, so die Ordensfrau. Inzwischen bereiteten sich Pfarreien in den irakischen Kurdengebieten auf die Aufnahme der Flüchtlinge vor.
Kurienkardinal Fernando Filoni, Leiter der vatikanischen Missionskongregation und Nahostexperte, sprach laut "Fides" von einer "ernsten humanitären Lage". Die Flüchtlinge seien sich selbst überlassen und wüssten nicht, wohin sie sich wenden könnten. Es gebe erste Berichte von Toten. Der Weltrat der Aramäer teilte im schwedischen Södertälje mit, mehr als 40.000 Familien mit insgesamt rund 200.000 Personen flöhen aus der Region. "Die Ebene von Ninive ist jetzt entvölkert von den angestammten Christen".
Wie "Fraternite en Irak" unter Berufung auf die Kirchenleitung in Bakhdida weiter berichtete, teilte der Kommandeur der kurdischen Streitkräfte kurz vor Mitternacht mit, dass die Schutztruppen aus der Stadt abgezogen würden. Die Einheiten mussten demnach nach Norden zurückweichen, weil sie dem Druck der islamistischen Miliz nicht standhalten konnten. Ebenso verließen die kurdischen Truppen den Angaben zufolge die meisten anderen Stützpunkte in der Ebene von Nivive.
Die etwa 30 Kilometer südöstlich von Mossul gelegene Stadt Bakhdida, nach ihrem türkischen Namen auch Qaraqosh (Karakosch) genannt, zählte zuletzt rund 50.000 Einwohner, fast ausschließlich Christen. Sie gehörten hauptsächlich der syrisch-katholischen und der syrisch-orthodoxen Kirche an.
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) forderte in Berlin internationale Hilfe für die Flüchtlinge im Nordirak. "Die Berichte von systematischen Vertreibung von Minderheiten wie den Christen, den Turkmenen oder den Jesiden durch die Terrorgruppe IS lassen einen fast an einen biblischen Exodus denken", sagte sie. Auch die Kurden in Irakisch-Kurdistan bräuchten humanitäre Unterstützung, um den Flüchtlingen Sicherheit und Zuflucht zu gewähren.
Der Obmann der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss, Stefan Liebich, erklärte, die UNO müsse umgehend aktiv werden und die Volksgruppe der Jesiden im Irak unter ihren Schutz stellen. "Hauptgegner der islamistischen Terrorgruppe sind Andersgläubige - Christen, Juden, aber auch Muslime", erklärte er. Liebich machte auch die "völkerrechtswidrige Militärintervention der USA und ihrer Verbündeten im Irak sowie deutsche Waffenexporte für die Situation verantwortlich.
(KNA - okskr-89-00081)
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