Quicklebendige Zivilgesellschaft - konservativer Islam
KNA 07.04.2014
Quicklebendige Zivilgesellschaft - konservativer Islam
Kampf gegen Korruption bei den Wahlen in Indonesien zentral
Von Michael Lenz (KNA)
Jakarta (KNA) In einer schmucklosen Halle gegenüber dem Elefantengehege des Ragunan-Zoos in Jakarta haben sich gut 300 muslimische Kindergärtnerinnen in bunten Batikblusen, Kopftüchern in knalligen Farben und Hosen zu einem Fortbildungs-Workshop eingefunden. Setiana Widjaja hinge-gen trägt ein schickes rotes Kleid und zeigt Bein. Die chinesischstämmige Katholikin nutzt den Workshop für ihren Wahlkampf. Sie kandidiert bei der Parlamentswahl am Mittwoch für die Demokratische Partei des Kampfes Indonesiens (PDI-P).
Zwei Themen liegen der 40-jährigen Mutter von vier Kindern am Herzen: Bildung als Schlüssel im Kampf gegen Armut und der Dialog zwischen den Religionen. Zwölf Parteien sind zur Wahl angetreten. Christliche Kandidaten verschiedener Konfessionen finden sich in allen Parteien - mit Ausnahme der fünf rein islamischen natürlich. Jedoch gilt die Oppositionspartei PDI-P der früheren Staatspräsidentin Megawati Sukarnoputri als die ethnisch und religiös pluralistischste.
Seit dem Sturz von Diktator Suharto im Mai 1998 befindet sich Indonesien auf der schwierigen Reise hin zu einer demokratischen Gesellschaft. Zu den Erfolgen des viertgrößten Landes der Welt gehören die Akzeptanz von Wahlergebnissen, die Zurückdrängung des Einflusses des Militärs, die Dezentralisierung der Macht und eine quicklebendige Zivilgesellschaft. Auf der Negativseite steht eine von extremen islamischen Gruppen beförderte Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten.
Das Vordringen eines konservativen Islam in der Nation mit dem größten muslimischen Bevölkerungsanteil weltweit hat der Katholik Franziskus Hermawi Taslim persönlich erfahren. Der Wirtschaftsanwalt war einer von fünf Beratern des ehemaligen Staatspräsidenten und islamischen Gelehrten Abdurrahman "Gus Dur" Wahid (1999-2001) - als einziger Christ. Zudem war er im Vorstand von Wahids Nationaler Erwachungspartei (PKB). "Nach dem Tod von Gus Dur 2009 wurde die PKB islamischer, und die Christen und die Chinesen sind ausgetreten."
Die Parlamentswahlen am Mittwoch markieren nun einen Übergang von der konservativen Generation aus der repressiven Suharto-Ära zur weltoffeneren Facebook-Generation. Mehr als 40 Prozent der Stimmberechtigten sind Erst- und Jungwähler zwischen 17 und 30 Jahren. "Die jungen Leute haben andere Interessen", sagt Taslim, der in Jakartas Nachbarstadt Tangerang für die Nationalen Demokraten (NasDem) kandidiert: "Sie sind gegen Korruption, für Transparenz und die Rechte von religiösen und ethnischen Minderheiten."
Galionsfigur der Post-Suharto-Generation ist der charismatische Gouverneur von Jakarta, Joko Widodo. Seit Megawati den "Jokowi" genannten Streiter gegen Korruption und für Religionsfreiheit zum Präsidentschaftskandidaten ausgerufen hat, liegt ihre PDI-P in den Umfragen vorn - obwohl die Präsidentschaftswahlen erst im Juli stattfinden. Laut der Verfassung dürfen aber nur Parteien, die bei der Parlamentswahl mindestens 20 Prozent erlangt haben, einen Kandidaten nominieren.
Mit einer Mischung von "Yes, we can" a la Barack Obama und dem Bescheidenheit und Armutsbekämpfung predigenden Papst Franziskus ist Jokowi jedoch so populär, dass ihm selbst politische Gegner Respekt zollen. Seine potenziellen Gegenkandidaten, darunter Generäle aus der Suharto-Zeit mit zweifelhafter Menschenrechtsbilanz, sehen dagegen alt und gestrig aus. Der Jesuit und Philosophiedozent Franz Magnis Suseno sieht den Jokowi-Hype freilich auch mit einer gewissen Sorge: "Die auf Jokowi gesetzten Hoffnungen sind so groß, dass er sie gar nicht erfüllen kann."
Die islamischen Parteien müssen Umfragen zufolge mit dem schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten rechnen. Skandale islamischer Politiker, die noch gemeinsam mit der ebenfalls korruptionsgeplagten Partei der Demokraten von Präsident Susilo Bambang Yudhoyono regieren, haben die Wähler desillusioniert. Die Schwäche der traditionellen islamischen Parteien könnte jedoch die extremen, islamistischen Gruppen stärken, befürchtet Jan Woischnik, Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jakarta.
(KNA - okoko-89-00140)
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