Forscher liefern neue Erkenntnisse zum Thema Bier und Islam
KNA 24.02.2014
Ohne Schaum vor dem Mund
Forscher liefern neue Erkenntnisse zum Thema Bier und Islam
Von Joachim Heinz (KNA)
Bonn (KNA) "Es war einmal ein Muselmann, der trank sich einen Dusel an, wann immer er nur kunnt." Mit diesen heiteren Reimen leitete Heinz Erhardt einst sein Nonsensgedicht "Der Muselmann" ein. Wer weiß? Rund ein halbes Jahrhundert später hätte der 1979 verstorbene Humorist vielleicht eine ernste Debatte über religiöse Verunglimpfung losgetreten. Schließlich hat sich im öffentlichen Bild vom Islam die konservative Lesart durchgesetzt, wonach der Genuss von Alkohol unter Muslimen streng verboten ist. Dass dem nicht immer so war und bis in unsere Tage hinein nicht so ist, zeigen die Arbeiten zweier Forscher aus Deutschland.
Unabhängig voneinander haben Stefanie Brinkmann und Malte Fuhrmann tief ins Glas der Geschichte geblickt. Dabei fördern der Berliner Orientalist und die Leipziger Islamwissenschaftlerin ausgerechnet am Beispiel Bier einige fein perlende Einsichten zutage und räumen zugleich mit abgestandenen Vorurteilen auf. Manchem Kölner Karnevalisten oder bayerischen Biergartenbesucher etwa dürfte es bitter aufstoßen, dass die ältesten Biernationen mitnichten im Geltungsbereich des deutschen Reinheitsgebotes zu suchen sind.
Die Wiege des Gebräus stand in Afrika und im alten Mesopotamien, erläutert Stefanie Brinkmann, die den Alkoholkonsum in der Frühzeit des Islam untersucht. "Der Islam wurde also in eine bestehende Bier-Kultur hineingeboren." Was da in Bechern oder Schalen auf den Märkten ausgeschenkt wurde, war allerdings eine mitunter ziemlich bunte Mischung.
Die orientalischen Braumeister experimentierten offenbar gern mit Gewürzen und Obst, das sie dem gärenden Getreidesud auf Gersten-, Weizen- oder Sorgum-Basis zusetzten. Daraus entstand eine Fülle von regional unterschiedlichen Rezepturen. Etwa das wahrscheinlich aus dem Jemen stammende und später in Ägypten populäre Mizr-Bier oder Fuqqa aus dem iranisch-irakischen Raum.
Zwei bis drei Volumenprozent betrug der Alkoholgehalt laut Brinkmann. "Außer, es kam mal Honig ins Spiel." Dann, sagt die Wissenschaftlerin, konnte der Wert mitunter sogar über acht Prozent steigen.
Woher die Expertin ihr Wissen speist? Zum Beispiel aus arabischen Rezepten, medizinischen und geographischen Werken, Gedichten oder Handbüchern für Marktaufseher. Gefragt sind aber auch archäologische Funde aus der Zeit vor dem 10. Jahrhundert, wo die schriftlichen Quellen nur spärlich fließen. Für die Forscherin ein Wermutstropfen, weil sich zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert der Islam als Religion herausbildete - und die Diskussion um ein Alkoholverbot ihren Anfang nahm.
Im Koran selbst ist lediglich an vier Stellen von berauschenden Getränken auf Erden die Rede. Ausgangspunkt für die strenge Abkehr von allem, "was den Verstand vernebelt", wurde Sure 5, Vers 90 und 91, die vom Weinkonsum als "Greuel und Teufelswerk" spricht. Strikte Abstinenz hielten jedoch nur die allerwenigsten durch, wie Malte Fuhrmann mit Blick auf das Osmanische Reich zwischen 1830 und 1920 erläutert. Im Gegenteil: Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich vor allem in Istanbul eine höchst lebendige Kneipenszene und auch Großbrauereien. Die größte war ab 1892 die industrielle Brauerei der Schweizer Brüder Bomonti.
Die eidgenössischen Braumeister sind kein Einzelfall: Oft waren es Einwanderer aus Mitteleuropa, die Bier und andere Spezialitäten an den Bosporus brachten. So konnten sich Passanten im Viertel Pera "noch einmal gut deutsch restaurieren", bevor sie ihren Weg in die City fortsetzten. Zu den Pionieren gehörte die 1789 geborene Kärntnerin Anna Forneris, die im Stadtteil Galata bereits 1838 eine Brauerei mit Ausschank betrieb.
Forschung muss nicht immer bierernst sein - kann aber trotzdem zum Nachdenken anregen. "Der Umgang mit Alkohol im Islam schwankte oft zwischen Toleranz und Prohibition", sagt Fuhrmann und verweist auf die jüngsten Entwicklungen in der Türkei. Im Mai 2013 setzte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan empfindliche Einschränkungen für den Verkauf von und die Werbung für Bier durch.
Ein Vorzeichen für die Verwerfungen, die das Land seither erschüttern? Durchaus, findet Fuhrmann, verweist aber zugleich auf Straßenpartys als fantasievolle Proteste gegen Erdogans "Austrocknungspolitik". Für den Optimisten ist das Glas eben halbvoll und nicht halbleer.
(KNA - okmlk-89-00044)
Auf unserer Hauptseite finden Sie weitere Informationen zu den Themen interreligiöser Dialog und christlich islamischer Dialog.