Debatte über islamistischen Einfluss an britischen Privatschulen
KNA 24.11.2014
Von Gaby Mahlberg (KNA)
London (KNA) Eine rigorose Trennung von Jungen und Mädchen, einseitige Lehrpläne und fast ausschließlich arabischsprachige Schulbibliotheken: In Großbritannien wächst die Sorge vor islamistischem Einfluss an Schulen in privater Trägerschaft. So kamen unlängst erst Inspektoren der Schulaufsichtsbehörde Ofsted nach einem Besuch von sieben Schulen im Ostlondoner Problembezirk Tower Hamlets zu einem verheerenden Urteil. Der Unterricht beschränkte sich überwiegend auf den Koran, Geschlechtertrennung auch auf dem Pausenhof war die Regel, und Mädchen wurden systematisch benachteiligt. Alle sieben Einrichtungen erhielten das Prädikat "unzureichend".
An einigen Schulen wurden Fächer wie Musik und Kunst vom Lehrplan gestrichen, wohl um mögliche westliche Einflüsse zurückzudrängen. Ein Erstklässler der East London Islamic School erklärte den Inspektoren, er käme "in die Hölle", wenn er sich an Musik oder Tanz beteiligte. In einem anderen Fall konnten Schüler nicht zwischen dem islamischen Recht, der Scharia, und britischen Gesetzen unterscheiden.
Bei sechs der Schulen handelt es sich um muslimische Privatschulen, die sich teils aus Studiengebühren finanzieren. Diese Schulen unternähmen nicht genug, um den Schülern "britische Werte" zu vermitteln, bilanzierte der Ofsted-Bericht. Die siebte Schule, die "Sir John Cass's Foundation and Red Coat School", befindet sich in anglikanischer Trägerschaft. 90 Prozent der Schüler haben einen Migrationshintergrund.
Die Unterrichtsqualität stuften die Schulinspektoren zwar als "gut" ein. Die Lehrer hätten es aber versäumt, ihre Schüler vor "extremistischen Ansichten" zu schützen. Schüler der Oberstufe hätten durch eine Facebook-Gruppe Kontakt zu radikalen Extremisten gehabt, ohne dass die Schulleitung eingegriffen habe. Pikant ist dies vor allem vor dem Hintergrund, dass der anglikanische Primas Justin Welby erst kürzlich erklärte, dass kirchliche Schulen in besonderer Weise "für Toleranz und Akzeptanz" einstünden.
Bildungsministerin Nicky Morgan drohte, die Schulen zu schließen, wenn es nicht innerhalb der kommenden Wochen deutliche Verbesserungen gebe. "Alle Schulen müssen Kinder auf das Leben in einem modernen Großbritannien vorbereiten", so Morgan. Auch Ofsted-Chef Michael Wilshaw sieht das Wohl der Schüler in Gefahr. Die Kinder und Jugendlichen seien "extremistischen Einflüssen" ausgesetzt.
Bereits im Frühjahr waren mehrere Schulen in Birmingham in die Schlagzeilen geraten, weil dort verstärkt streng muslimische Sichtweisen vermittelt wurden. Ein Problem ist offenbar, dass Einrichtungen in religiöser Trägerschaft und Privatschulen über mehr Autonomie verfügen und staatliche Erziehungsrichtlinien möglicherweise weniger strikt anwenden.
"Die muslimischen Privatschulen sehen sich in erster Linie als Institution zur Verbreitung islamischen Wissens", sagt Islamwissenschaftler Prakash Shah der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Hinzu komme ein starker Trend, Kinder und Jugendliche von westlichen Einflüssen abzuschotten, so der Dozent am Londoner Queen Mary College.
Die Londoner Schulen fühlen sich indes überrumpelt. Nach der Affäre in Birmingham habe man weder genug Zeit noch das entsprechende Regelwerk zur Hand gehabt, um den schon damals erhobenen Forderungen des Bildungsministeriums nachzukommen. Die nun gültigen Richtlinien seien erst Ende September veröffentlicht und die Schulen in Tower Hamlets bereits im Oktober inspiziert worden, heißt es in einem Blog-Eintrag im Internet.
Islamwissenschaftler Shah fordert eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen. Die Schulen müssten sich kritische Fragen gefallen lassen. "Ich glaube, dass dort Fundamentalismus drin steckt." Man müsse nur an die vielen jungen britischen Muslime denken, die freiwillig als Kämpfer für die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) nach Syrien gingen, so Shah. So gesehen könnte die Debatte in Großbritannien bald noch größere Kreise ziehen.
(KNA - ollmn-89-00066)
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