Friedenszentrum aus Nigeria erhält Deutschen Afrika-Preis
KNA 11.12.2013
Von Katrin Gänsler (KNA)
Kaduna/Berlin (KNA) Das Interfaith Mediation Centre (IMC) aus Kaduna im Norden Nigerias erhält an diesem Donnerstag eine hohe Auszeichnung: Mit dem Deutschen Afrika-Preis wird es für seine jahrzehntelange Friedensarbeit in der krisengebeutelten Stadt geehrt.
Imam Muhammad Ashafa und Pastor James Wuye müssen ihre Pokale, Medaillen und Fotos bald enger zusammen rücken. Schon jetzt stehen viele Auszeichnungen in dem kleinen Büro im sechsten Stock eines Hochhauses im Zentrum Kadunas: für ihre Friedensarbeit, mit der sie weltberühmt geworden sind. Nun kommt der Preis der Deutschen Afrika-Stiftung hinzu. In diesem Herbst ist es schon die zweite Deutschland-Reise der beiden. Erst Ende Oktober erhielten der Pastor und der Imam - so werden sie oft nur genannt - den Hessischen Friedenspreis.
Muhammad Ashafa jubelt nicht allzu laut über solche Auszeichnungen. Dennoch freut er sich sehr: "Deutschland wird international anerkannt. Wenn man uns dort auf die Schulter klopft und sagt 'gut gemacht', dann wissen wir: Die Menschen hören uns zu." Bescheiden geblieben sind sie trotzdem. Sie arbeiten noch immer im selben Büro wie vor vielen Jahren. Die Räume sind eng, und die Schreibtische stehen dicht beieinander. Immer wieder fällt der Strom aus. Dafür steht die Tür offen. Besucher kommen mit ihren Problemen, Fragen und Ideen.
Dass das Interfaith Mediation Centre einmal zum internationalen Aushängeschild von Kaduna würde, das hätte in den 90er Jahren niemand geglaubt - und erst recht nicht Imam Ashafa und Pastor Wuye. Noch bis 1995 kämpften sie gegeneinander. Damals kam es in Kaduna immer wieder zu religiös motivierten Ausschreitungen zwischen Christen und Muslimen. Begonnen hatten diese 1987 an einer Schule für künftige Lehrer. Junge Muslime warfen einem Pastor vor, er habe den Koran falsch zitiert. Tagelange Straßenschlachten mit Toten und Dutzenden Verletzten folgten. In den folgenden Jahren verschärfte sich die Lage, unter anderem durch Auftritte von radikal-christlichen Predigern.
Damals kämpften auch der Imam und der Pastor gegeneinander. Muhammad Ashafa verlor Familienangehörige, James Wuye seinen linken Arm. 1995 brachte ein gemeinsamer Bekannter die beiden Männer schließlich zusammen. Es war ein unfreiwilliges Treffen, bei dem sie sich die Hände schütteln mussten. Widerwillig, wie sie manchmal erzählen. Doch es war der Grundstein für das Interfaith Mediation Centre.
Viele Mitstreiter aus der Anfangsphase sprangen später wieder ab. Der Druck aus ihren Gemeinden und die Kritik, man arbeite nun plötzlich mit Muslimen oder Christen zusammen, waren zu groß. Imam Ashafa und Pastor James blieben zusammen. Letzterer sagt gerne augenzwinkernd: "Wir sind wie ein altes Ehepaar, das schon wegen seiner Kinder nicht getrennt werden kann."
Gemeinsam mit ihren Mitarbeitern versuchten sie, die Unruhen in den Jahren 2000 und 2002 zu entschärfen. Bei der Einführung der Scharia in Kaduna im Jahr 2000 starben binnen weniger Tage mehrere hundert Menschen. 2002 kam es im Norden Nigerias während der Miss-World-Wahl zu einer Krise. Muslime fühlten sich durch einen Zeitungskommentar über den Propheten beleidigt. Erneut starben bei Straßenschlachten Hunderte Menschen.
Besonders wichtig ist es für das Interfaith Mediation Centre, Christen und Muslime auf lokaler Ebene wieder zusammenzubringen. Es gibt Workshops und Konferenzen für Jugendliche, spezielle Projekte für Frauen. Mit einer neuen Aktion will sich die Einrichtung im Moment stärker auf religiöse Meinungsführer konzentrieren. Sollte es zu einer neuen Krise kommen, können sie in der Kirche oder der Moschee zur Deeskalation beitragen. Dabei ist die Arbeit längst nicht mehr nur auf Kaduna begrenzt. Auch in anderen Bundesstaaten wie dem ebenfalls krisengebeutelten Plateau sind die Mitarbeiter aktiv.
Mit dieser Erfahrung wünschen sich der Imam und der Pastor nun eins: eine engere Zusammenarbeit auf politischer Ebene. Denn lange wurde die Friedensarbeit zwar im Ausland geehrt, aber in Nigeria kaum wahrgenommen. Das hat sich zwar geändert, müsse aber ausgebaut werden. So wünscht es sich James Wuye: "Mit unserer Erfahrung sind wir bereit, Nigeria, der Regierung und Präsident Goodluck Jonathan zu dienen."
(KNA - nlmlk-89-00075)
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