IS-Miliz weiter gegen Jesiden und Christen - Streit um Waffen
KNA 18.08.2014
Berlin/Köln/Erbil (KNA) Angesichts der fortdauernden Brutalität der islamistischen Kämpfer im Nordirak ist in Deutschland eine Diskussion um Waffenlieferungen entfacht. Politiker verschiedener Parteien zeigten sich dafür am Wochenende zunehmend offen. Konfliktforscher und Kirchenvertreter plädierten dagegen für Zurückhaltung. In Umfragen sprachen sich die Deutschen mehrheitlich gegen Militärhilfe aus. Den fliehenden Jesiden und Christen macht unterdessen auch die sengende Hitze zu schaffen.
Dem "Spiegel" sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel: "Wir können nicht zusehen, wie bis an die Zähne bewaffnete Fanatiker Tausende unschuldige Menschen umbringen und deren Verteidiger keine wirksamen Mittel zum Schutz haben." Er sprach von "einem Völkermord vor unseren Augen".
Auch in der Union mehren sich die Stimmen für Waffenlieferungen zur Verteidigung der verfolgten Jesiden und Christen. CDU-Vizechefin Julia Klöckner betonte: "Wer Waffenlieferungen grundsätzlich ausschließt, wird beim Kirchentag zwar mit viel Applaus bedacht, als Politiker kann man aber nicht nur auf den Applaus und den ruhigen Schlaf schielen."
Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) sprach sich ebenfalls für deutsche Waffenlieferungen an die Kurden aus. Eine Terrormiliz wie den "Islamischen Staat" (IS) könne man "weder mit Gebetskreisen noch mit Spruchbändern stoppen", sagte Fischer der "Bild am Sonntag". Er kritisierte die frühere evangelische Landesbischöfin Margot Käßmann, die Deutschland zu einem "bedingungslosen Pazifismus" aufgefordert hatte. "Unser Strafrecht verpflichtet jeden Bürger, bei einer schweren Straftat dem Opfer beizustehen. Wer dies verweigert oder wegschaut, der macht sich strafbar. Das muss auch Margot Käßmann begreifen."
Ein Stoppen der IS-Miliz im Irak liegt nach Ansicht von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) "im Interesse Europas". Nach der Errichtung eines "Terrorstaats jenseits der bestehenden Grenzen" im Mittleren Osten würde der IS zweifellos versuchen, den Terror auch nach Europa zu tragen, sagte Steinmeier der "Bild am Sonntag".
Dagegen warnte der Konfliktforscher Otfried Nassauer vor einer militärischen Aufrüstung. In der Regel gingen Konflikte auch nach Waffenlieferungen weiter, so der Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit im Deutschlandradio Kultur.
Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt kündigte wöchentliche Friedensgebete in der Stadt an und sagte: "Als Christen vertrauen wir immer der Kraft des Gebetes und nie der Macht der Waffen. Setzen wir ein Zeichen unserer Friedfertigkeit." Laut mehreren Emnid-Umfragen lehnt eine Mehrheit der Deutschen Waffenlieferungen an die Kurden im Irak ab. 74 Prozent seien dagegen, 22 Prozent dafür, berichtete die "Bild am Sonntag".
Unterdessen ist die Zahl der Binnenflüchtlinge im Irak nach Angaben von Hilfsorganisationen rasant gestiegen. In weniger als einer Woche seien mehr als 200.000 Menschen durch die IS-Kämpfer im Nordirak vertrieben worden, berichtete der Malteser Hilfsdienst in Köln unter Berufung auf Mitarbeiter in der Krisenregion.
(KNA - okslr-89-00049)
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