In Nasiriya leben Christen und Muslime einträchtig zusammen
KNA 02.01.2014
Von Karin Leukefeld (KNA)
Nasiriya (KNA) "Wie wir hier leben? Sehen Sie sich um, unsere Freunde kommen, um uns zum Weihnachtsfest zu gratulieren." Jamal Tobia aus Nasiriya breitet seine Arme aus, als er seine Freunde vorstellt: den Ingenieur Thijeel, den pensionierten Lehrer Adnan und Mohammad Akram Said Falyh, einen IT-Manager des örtlichen Herzzentrums. Im großen Empfangszimmer sitzen sie zusammen und werden von Jamal und seinem Bruder John mit Tee und Kletche bewirtet, einem traditionellen Weihnachtsgebäck mit Datteln oder Nüssen. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen, Hände werden geschüttelt und die üppige Weihnachtsdekoration bewundert, in deren Mittelpunkt ein künstlicher, prachtvoll geschmückter Weihnachtbaum steht.
Die Familie Tobia, seit Ende des 19. Jahrhunderts im südirakischen Nasiriya, sei die älteste der Stadt, erzählt Jamal. Seine 84-jährige Mutter stammt aus Jerusalem. Die alte Dame ist in ein elegantes Kostüm mit weißem Kragen gekleidet und nimmt die Weihnachtsglückwünsche in einem großen Sessel entgegen. Als junge Frau habe sie in Jerusalem als Lehrerin in der von deutschen Missionaren gegründeten Schneller-Schule gearbeitet, erzählt sie lächelnd auf Deutsch. In Jerusalem habe sie auch ihren Ehemann kennengelernt, einen Händler aus Nasiriya. Dem sei sie 1953 in dessen Heimat gefolgt. Viel Zeit verbringe sie auch in den USA oder mit Reisen durch Europa, wo sie Verwandte besuche. Im vergangenen Jahr habe sie in Jerusalem ihr Elternhaus gesehen. "Doch immer wenn ich einige Monate fort bin, will ich zurück nach Nasiriya", sagt sie und nippt an einem Glas mit süßem, irakischen Tee.
Das Gespräch dreht sich bald um die politische und wirtschaftliche Lage im Irak. Etliche der Männer sind Geschäftsleute, die ihre Stadt voranbringen wollen. Jamal unterstützt ausländische Firmen, die im Irak Fuß fassen wollen. Vor kurzem konnte er eine Delegation des Vatikan bei einem Besuch der Ruinenstadt Ur davon überzeugen, dass in Zukunft mehr Reisegruppen die historischen Stätten in Nasiriya und Umgebung besuchen sollen. Der Ingenieur Thijeel will die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bewegen, Projekte in seiner Heimatstadt zu unterstützen.
"Die Medien berichten über den Irak nur noch, wenn Bomben explodieren", kritisiert Jamal Tobia. Dabei hielte das Land für Touristen so viele Schönheiten bereit, ganz zu schweigen von der Gastfreundschaft der Iraker. Natürlich gäbe es Probleme, fügt der Geschäftsmann hinzu. "Doch das ist nur die eine Seite unseres Lebens!" Zu der anderen Seite gehöre das unkomplizierte Zusammenleben aller Religionen in Nasiriya, fährt Tobia fort. Alle Anwesenden stimmen ihm zu. "So sind wir erzogen und so erziehen wir unsere Kinder", bekräftigt Mohammad, der IT-Manager. Sein Nachbar, ein Sunnit, der mit einer Schiitin verheiratet ist, sagt lachend, er und seine Frau seien ein gutes Beispiel: "Wir leben seit vielen Jahren glücklich zusammen."
Dass Muslime und Christen im Südirak ein entspanntes Verhältnis haben, bestätigt auch Bischof Imad Aziz Albanna von der Chaldäischen Kirche in Basra. Etwa 400 christliche Familien verschiedener Kongregationen leben in den südirakischen Provinzen Basra, Maysan und Thiqar. Hier bilden die Chaldäer neben Armeniern, Protestanten und anderen katholischen Gemeinden die Mehrheit. Die meisten der chaldäischen Familien lebten in Basra, erläutert Bischof Imad. In Amara, Kut und Nasiriya gebe es insgesamt 30 weitere Familien.
Die Zahl der Auswanderer habe deutlich abgenommen, sagt der Bischof, der selber aus dem kurdischen Nordirak, aus Dohuk, stammt. Im gerade zu Ende gegangenen Jahr hätten nur 15 chaldäische Familien Basra verlassen. Das liege daran, dass die Gewalt zumindest im Südirak deutlich zurückgegangen sei. Imad fügt hinzu: "Wenn die Politiker sich einigen können, Frieden zu schaffen, werden wir alle in unserer Heimat bleiben."
(KNA - oklkl-89-00027)
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