Katholische Bischöfe befassen sich mit Religionsfreiheit
KNA 10.03.2014
Zunehmende Restriktionen
Katholische Bischöfe befassen sich mit Religionsfreiheit
Von Christoph Arens (KNA)
Bonn (KNA) "Die Christen sind die meist verfolgte Religionsgemeinschaft der Welt." Gibt es Anschläge im Irak, Ägypten oder Nigeria, greifen Politiker und Kirchenrepräsentanten gern zu diesem Satz.
War Religion über Jahre kaum ein Thema der Politik, hat sich das spätestens seit dem 11. Septem-ber 2001 und den Spannungen zwischen der islamischen und der westlichen Welt gründlich geändert: Auch im weithin säkularisierten Westen wuchs das Bewusstsein für religiöse Fragen. Und seit den Umwälzungen in den arabischen Staaten stellt sich ganz konkret die Frage nach der Zukunft der Christen an der Wiege ihrer Religion.
Auch die deutsche Öffentlichkeit schaut genauer hin. In der Unionsfraktion des Bundestages gibt es einen überkonfessionellen, nach dem ersten christlichen Märtyrer benannten "Stephanuskreis", der sich mit Fragen der Religionsfreiheit befasst. Vor allem die CDU-Abgeordneten Volker Kauder, Her-mann Gröhe und Erika Steinbach beziehen zur Situation der Christen Stellung. Auch die Kirchen reagierten: 2002 führte die katholische Bischofskonferenz am 26. Dezember, dem Stephanus-Tag, einen jährlichen Gedenktag für verfolgte Christen ein. Am 28. Februar 2010 beging die Evangelische Kirche erstmals einen solchen Gebetstag.
Am Dienstag wollen sich die katholischen Bischöfe bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in Münster noch einmal grundsätzlich mit Religionsfreiheit befassen. Mit einem doppelten Ansatz: Der nigerianische Kardinal John Onaiyekan soll über die Rolle der Religionen in einer konfliktreichen gemischt-religiösen Gesellschaft wie Nigeria berichten. Über die Rolle der Religion in einer säkularisierten Gesellschaft wie den USA wird der Bonner Rechtsphilosoph Christian Hillgruber referieren.
Dass Religionsfreiheit zum Thema geworden ist, hängt auch mit dem "Weltverfolgungsindex" zusammen, den die Hilfsorganisation "Open Doors" seit mehreren Jahren veröffentlicht. "Erneut hat besonders in Afrika die Verfolgung der Christen durch Islamisten zugenommen", schlug die Hilfsorganisation im Januar Alarm. Allerdings liegt das asiatische Nordkorea im zwölften Jahr in Folge an der Spitze der traurigen Rangliste. Mit Somalia setzte das Hilfswerk zum ersten Mal ein afrikanisches Land südlich der Sahara auf Rang zwei. Syrien kletterte von Platz 11 auf Platz 3. Die Hilfsorganisation schätzt die Zahl der verfolgten Christen auf mehr als 100 Millionen weltweit.
Das Vorgehen von "Open Doors" ist nicht unumstritten: Menschenrechtsexperten kritisieren, dass Christen pauschal die Opfer- und vor allem Muslimen die Täterrolle zugeschrieben werde. Zudem würden Tatbestände wie rechtliche Diskriminierung, Benachteiligung im Alltag oder terroristische Gewalt pauschal unter dem Begriff Verfolgung zusammengefasst. Die Wirklichkeit sei vielfältiger.
Die beiden großen Kirchen haben deshalb im vergangenen Sommer einen gemeinsamen Bericht zur Christenverfolgung vorgelegt, der auf Ranglisten verzichtet und stattdessen Strukturen von Benachteiligung, Verfolgung und Gewalt beschrieb. Auch nach ihren Erkenntnissen haben Einschränkungen der Religionsfreiheit zuletzt zugenommen. In 64 Ländern seien erhebliche Restriktionen durch Regie-rungen nachweisbar - etwa durch Gesetze gegen Gotteslästerung. Weil sich darunter Staaten mit hoher Bevölkerungszahl wie China und Indien befinden, unterlägen rund 70 Prozent der Weltbevöl-kerung einem hohen oder sehr hohen Maß an Restriktionen.
Wer über Religionsfreiheit diskutiert, muss allerdings auch die Frage einschließen, wie weit Religion zur Gewalt beiträgt. "Religion ist zweifellos oft ein Faktor von Eskalation. Doch Religion ist nie allein die Ursache", sagt der UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt. "Aktuell se-he ich sie in keinem einzigen Konflikt eindeutig als den entscheidenden Auslöser. Weder in Syrien noch anderswo." Vielfach gehe es bei Konflikten zwischen Christen und Muslime nicht um christliche oder islamische Inhalte, sondern um Gruppenzugehörigkeiten, so der Wissenschaftler. "Identitäten werden oft religiös definiert und die Religion wird ihrerseits als Kriterium von Identität instrumentalisiert."
(KNA - okmmp-89-00196)
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