Christen im Heiligen Land befürchten weitere Eskalation
KNA 09.07.2014
Von Andrea Krogmann (KNA)
Jerusalem (KNA) Es sind die schärfsten Auseinandersetzungen seit der "Operation Wolkensäule" Ende 2012. Seit der Ermordung dreier jüdisch-israelischer Jugendlicher im Juni und der Verbrennung eines palästinensischen Jugendlichen bei lebendigem Leib - mutmaßlich als Vergeltung -, kommt der israelisch-palästinensische Konflikt nicht zur Ruhe. Nach mehrtägigen gewalttätigen Ausschreitungen in Jerusalem und scharfem Vorgehen der israelischen Armee in den Palästinensergebieten droht die Lage im Gazastreifen zu eskalieren. Mehr als 160 Raketen auf Israel und ebenso viele von der israelischen Luftwaffe attackierte Ziele binnen 24 Stunden lassen bei Kirchenvertretern des Landes die Angst vor einer neuen Spirale der Gewalt wachsen.
Die Eskalation werfe den israelisch-palästinensischen Friedensprozess erneut stark zurück, schätzt der Sprecher der deutschen Benediktinerabtei Dormitio, Nikodemus Schnabel. Alle positiven Initiativen für Frieden und Versöhnung, die sich seit 2012 entwickelt hätten, seien "wie verpufft", sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Noch deutlicher bringt der katholische Jerusalemer Weihbischof William Schomali seine Sorge zum Ausdruck. Die erste und zweite Intifada hätten mit einem Teufelskreis aus Tötungen und Vergeltungsschlägen begonnen, sagte er der KNA.
Diesen "endlosen Kreislauf der Gewalt" zu durchbrechen, sei "die Pflicht aller, Unterdrücker und Unterdrückter, Opfer und Täter", mahnten auch die katholischen Heilig-Land-Bischöfe. Scharf kritisieren sie die Besatzungspolitik Israels, die kollektive Bestrafung der Palästinenser, aber auch Terror von Palästinensern im "legitimen Kampf" gegen die Besatzung.
Die jüngste Gewaltwelle folgt auf Friedensinitiative von US-Außenminister John Kerry und auf einen eigentlich hoffnungsvollen Besuch von Papst Franziskus. Einen Zusammenhang zwischen dem Papstbesuch im Mai und der Gewalteskalation weisen Schnabel wie Schomali zurück. Die Eskalation hätte auch vor dem Papstbesuch passieren können oder auch ohne ihn, so Schomali. Nach Einschätzung der Kirchenmänner könnte auch eine mentale Überforderung vieler Menschen durch die jüngsten Friedensinitiativen zur gegenwärtigen Verschärfung beigetragen haben.
Die Auswirkungen der Gewalt könnten nach Einschätzung Schomalis zu einer verstärkten Abwanderung junger Christen führen - ähnlich wie bei der ersten und zweiten Intifada. Obwohl die Christen auf palästinensischer wie auf israelischer Seite Opfer seien und dabei "in der Wahrnehmung dieses Konfliktes zwischen jüdischen Israelis und muslimischen Palästinensern" schon rein zahlenmäßig untergingen, betont Schnabel deren Beharrungskraft: "Sie haben schon anderes durchgemacht und werden auch das überstehen!" Der Verantwortliche für die hebräischsprachigen Katholiken in Israel, Patriarchalvikar David Neuhaus, richtet den Blick auf das Miteinander der hebräischsprachigen Christen, die in die jüdisch-israelische Gesellschaft eingebettet seien, und ihrer arabischsprachigen Mitchristen. Für sie sei die aktuelle Situation sehr herausfordernd. Gott habe den Glauben auf beiden Seiten gesät und erwarte einen Brückenbau für mehr Verständnis, Mitgefühl und Herzensweite, so Neuhaus.
Die Heilig-Land-Bischöfe kritisieren in ihrem Appell, viele hochrangige israelische Politiker gössen "Öl ins Feuer" und heizten die gewalttätige Stimmung in der eigenen Gesellschaft an. Israelis wie Palästinenser müssten "jede Führung abschütteln, die vom Kreislauf der Gewalt profitiert". Für Bischof Schomali wie auch für Dormitio-Sprecher Schnabel liegt die Hoffnung auf Frieden beim Volk. Der Benediktiner verweist auf die "gesunde Zivilgesellschaft in Israel". Deren einsetzende Selbstkritik könne ein Ausweg aus dem Status quo und ein Schritt auf den anderen zu sein. Und, so Schomali: "Israelis wie Palästinenser sind der Gewalt müde. Die Politiker sollten auf die Stimme des Volkes hören!"
(KNA - okrkt-89-00132)
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