Türkei will Religionsunterricht reformieren
KNA 11.11.2014
Istanbul (KNA) Die türkische Regierung will als Konsequenz aus einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs das Pflichtfach Religion an staatlichen Schulen grundlegend reformieren. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte am Dienstag laut Medienberichten vor der Parlamentsfraktion seiner Regierungspartei AKP in Ankara, künftig sollten alle Religionen und Konfessionen gleichberechtigt behandelt werden.
Die vom Straßburger Gericht geforderte Abschaffung des verpflichtenden Religionsunterrichts in der Türkei lehnte Davutoglu ab. Dieser sei unter anderem notwendig, um extremistischen Strömungen wie der Ideologie des "Islamischen Staates" Einhalt zu gebieten.
Straßburg hatte in einem Urteil Mitte September von der Türkei verlangt, Schülern die Möglichkeit zu geben, sich vom bisherigen Pflichtfach Religion befreien zu lassen, ohne dass die Eltern ihre eigene Religionszugehörigkeit offenlegen müssen. Der Staat müsse in Fragen der Religion neutral bleiben. Die Entscheidung erging nach einer Klage alevitischer Türken, die ihre Kinder nicht am bisher sunnitisch geprägten Religionsunterricht teilnehmen lassen wollten.
Davutoglu sagte, die Türkei habe nach dem Urteil drei Möglichkeiten: die völlige Abschaffung des Fachs Religion, was extremistisches Gedankengut begünstige; einen getrennten Unterricht für Sunniten und Aleviten, der die beiden Konfessionen als Gegensätze definiere; oder aber die Einführung eines Unterrichts, der allen Religionen gerecht werde. Wenn in einem solchen Fach Religionskultur und Ethik eine Religion wie das Christentum oder der Buddhismus beleidigt werde, sei er, Davutoglu, "der erste, der dagegen protestiert", so der Ministerpräsident. Nach den Vorstellungen seiner Regierung solle künftig kein Mitglied irgendeiner Konfession Grund haben, den Religionsunterricht zu kritisieren.
Als Mitglied des Europarates ist die Türkei an die Entscheidungen aus Straßburg gebunden. Unter dem derzeitigen System können sich nur Schüler der anerkannten religiösen Minderheiten - Juden, Armenier und Griechen - vom staatlichen Religionsunterricht befreien lassen. Die Aleviten, Anhänger einer liberalen Richtung des Islam, müssen dagegen wie die sunnitische Mehrheit am herkömmlichen Religionsunterricht teilnehmen.
(KNA - ollll-89-00125)
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