Entwicklungsminister Müller zur Zentralafrikanischen Republik
KNA 17.03.2014
"Es gibt keine Rote Linie zwischen Christen und Muslimen"
Entwicklungsminister Müller zur Zentralafrikanischen Republik
Von Joachim Heinz (KNA)
Bangui (KNA) Blitzbesuch in Bangui: Als erstes Mitglied der Bundesregierung hat Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) die Zentralafrikanischen Republik besucht. In dem seit Monaten von Kämpfen erschütterten Land suchte Müller nach Wegen aus der Krise - gemeinsam mit dem französischen Staatsminister für Entwicklung, Pascal Canfin, EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs und Erik Solheim, dem Vorsitzenden des Development Assistance Committee der Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung OECD. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) fasst Müller am Freitagabend erste Eindrücke der zweitägigen Reise zusammen.
KNA: Herr Minister Müller, Sie sind im Rahmen Ihrer Visite in der Zentralafrikanischen Republik auch mit Präsidentin Catherine Samba-Panza zusammengetroffen, einer der wenigen Frauen an der Spitze eines afrikanischen Staates. Wie schätzen Sie den Spielraum für die Präsidentin ein?
Müller: Catherine Samba-Panza ist eine Übergangspräsidentin, die mit einem Kabinett aus Experten das Land auf die Neuwahlen 2015 vorbereitet. Sie tut das mit großer Ernsthaftigkeit und wird wie versprochen bis dahin im Amt bleiben. Für eine weitere reguläre Amtszeit, das hat sie gesagt, wird sie nicht zur Verfügung stehen.
KNA: Welchen Kontakt hat die Präsidentin zu den verschiedenen Rebellengruppen?
Müller: Sie vermittelt nach beiden Seiten, hat zu allen Beteiligten Kontakt, egal, ob Muslime oder Christen. Das zeigt sich auch an dem aus Vertretern beider Konfessionen bestehenden Kabinett, mit dem wir während unseres Besuchs ebenfalls zusammengetroffen sind. Da gibt es keine Rote Linie zwischen Christen und Muslimen.
KNA: Wie sieht es bei der Hilfe für Flüchtlinge aus - gibt es da Berührungspunkte zwischen den Religionen?
Müller: Wir haben eine katholische Pfarrei in der Hauptstadt Bangui besucht, wo insgesamt 24.000 Flüchtlinge Unterschlupf gefunden haben. Der dortige Pfarrer Marc Belikassa ist ein Held des Helfens, der auf dem Gelände der Gemeinde auch Muslimen Zuflucht gewährt. Überhaupt ist das ein Eindruck, den wir so nicht erwartet haben: Die Religionen arbeiten zusammen. Sowohl an der Spitze wie auch auf der lokalen Ebene bestehen vielfältige Kontakte zwischen Christen und Muslimen, die sich um Hilfe für die Menschen in Not bemühen.
KNA: Ein positives Signal sollte auch Ihr Besuch setzen, den sie gemeinsam mit ihrem französischen Amtskollegen Pascal Canfin absolviert haben. Was versprechen sich beide Seiten von diesem Schritt?
Müller: Es ist eine doppelte Premiere. Erstmals haben sich Frankreich und die Bundesrepublik in einem afrikanischen Land auf eine gemeinsame Strategie zum Wiederaufbau verständigt. Und erst-mals nach über zehn Jahren nimmt Deutschland wieder die Entwicklungszusammenarbeit mit der Zentralafrikanischen Republik auf. Unser Ziel muss der Aufbau stabiler staatlicher Strukturen sein. Dazu dienen letzten Endes die Investitionen in die Entwicklung - neben den zehn Millionen Euro Soforthilfe, die Deutschland dem Land zugesagt hat.
KNA: Bei der momentan viel diskutierten neuen Afrika-Strategie der Bundesregierung ist die Entwicklungspolitik nur eine Komponente - neben einem Ausbau des militärischen Engagements. Ist die Zentralafrikanische Republik ein erster Testfall dafür?
Müller: Sicherheit ist die Grundlage für Stabilität. Zu der Afrika-Strategie gehört deswegen auch die militärische Seite. Man darf aber nicht verkennen, dass viele Konflikte auf dem Kontinent soziale Ur-sachen haben. Wenn es der Staat nicht schafft, Armut und existenzielle Not zu beseitigen, kommt es zu Krieg und Terror. Das sehen wir gerade auch in der Zentralafrikanischen Republik. Insofern kommt der Entwicklungspolitik - zusammen mit der Friedens- und Außenpolitik - eine wichtige Rolle zu bei der Krisenprävention und -bewältigung zu.
KNA: Was heißt das für Ihr Ministerium?
Müller: Dass wir diesen Bereich weiter ausbauen wollen. Außerdem nehmen wir die zunehmenden und sich verschärfenden Flüchtlingsprobleme in den Fokus. Ich war unlängst in Jordanien und habe dort syrische Flüchtlinge besucht - jetzt bin ich mit Binnenvertriebenen in der Zentralafrikanischen Republik zusammengetroffen. Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht. Vor dieser Tatsache darf die Weltöffentlichkeit die Augen nicht verschließen.
(KNA - oknlo-89-00005)
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