Boko Haram erobert ganze Dörfer
KNA 14.08.2014
Von Katrin Gänsler (KNA)
Abuja (KNA) Ebola beherrscht Nigeria. Egal ob im Büro, auf der Straße oder zu Hause - jeder spricht über das tödliche Virus. Bald ein wenig in Vergessenheit geraten ist mittlerweile die Terrorgruppe Boko Haram. Dennoch: Die Anschläge gehen weiter. Besonders betroffen bleibt der Bundesstaat Borno im äußersten Nordwesten. "In der Tat hat sich die Diskussion in den vergangenen Wochen gewandelt", bestätigt Idayat Hassan, die das Zentrum für Entwicklung und Demokratie (CDD) in der Hauptstadt Abuja leitet. Aus ihrer Sicht besteht nun tatsächlich die Gefahr, dass die Entwicklung im Norden des Landes nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit erhält. Denn auch wenn wesentlich weniger als üblich über Boko Haram und die Maßnahmen der nigerianischen Armee gesprochen wird, hält der Terror unvermindert an. "Wir dürfen nicht vergessen, dass etwa die Mädchen von Chibok seit 121 Tagen in den Händen der Terroristen sind", warnt sie.
Doch nicht nur das bleibe besorgniserregend, sondern auch die Tatsache, dass Boko Haram nun offenbar wieder ganze Dörfer eingenommen habe. "Wir haben Informationen, dass die Gruppe Polizeistationen und Einrichtungen der Armee übernommen hat. Deren Versuche, die Dörfer zurückzugewinnen, sind somit gescheitert." Boko Haram, davon geht die Direktorin der nichtstaatlichen Organisation aus, gewinne derzeit sogar wieder an Boden. Ein sicheres Zeichen dafür sei auch, dass die Terroristen in einigen Orten ihre Flagge gehisst hätten.
Vergangene Woche hatten Kämpfer von Boko Haram die Stadt Gwoza in Borno eingenommen. Mehr als 100 Menschen kamen dabei ums Leben, Häuser wurden niedergebrannt. Angriffe hatte es auch auf die Polizeistation und den Palast des Emirs gegeben. Der Emir überlebte jedoch, heißt es mittlerweile. Dessen Vorgänger und Vater war Ende Mai von Boko-Haram-Kämpfern getötet worden. Mittlerweile versucht die nigerianische Armee, Gwoza zurückzuerobern. Nach Informationen der Tageszeitung "Vanguard" kamen dabei bislang rund 30 Soldaten und 50 Terroristen ums Leben.
Dennoch betonte Armeesprecher Chris Olukolade vor Journalisten, die Soldaten seien durchaus in der Lage, dem Terror von Boko Haram ein Ende zu bereiten. "Alle Quartiere, die die Gruppe früher nutzte, sind von der Armee eingenommen worden", so Olukolade. Die Terrorgruppe fechte gerade ihren letzten Kampf. In der Vergangenheit war die Armee immer wieder kritisiert worden, dass sie nicht ausreichend zur Terrorbekämpfung ausgebildet sei.
Amnesty International kritisiert immer wieder das Verhalten der Soldaten gegenüber der Zivilbevölkerung. In einem Bericht der Menschenrechtsorganisation heißt es, auch die Armee und eine Spezialeinheit begingen Kriegsverbrechen. Der Vorwurf ist nicht neu. Bereits im Juli 2009 wurde eine Vielzahl damals führender Boko-Haram-Mitglieder bei Straßenkämpfen erschossen, statt sie zu verhaften und vor Gericht zu stellen. Experten sind sich einig, dass diese Vorgehensweise zu einer Radikalisierung der Gruppe führte.
So massiv wie in diesem Jahr ist der Terror allerdings noch nie gewesen. Nach jüngsten Zahlen der staatlichen Nothilfe-Agentur NEMA haben seit Januar bereits rund 400.000 Menschen den Norden Nigerias verlassen. Allein aus dem Bundesstaat Borno stammten mehr als 180.000 Binnenflüchtlinge. Angriffe auf Städte wie Gwoza lassen die Zahlen weiter in die Höhe schnellen.
In der Hauptstadt Abuja geht derweil die Sorge um die entführten Mädchen von Chibok weiter. Anders als bislang trifft sich die Protestgruppe "BringBackOurGirls" nicht mehr täglich am Unity Fountain in Sichtweite des Hilton Hotels, sondern an verschiedenen Orten innerhalb der Stadt. "Wir haben Drohungen erhalten und möchten niemanden gefährden", sagt Aisha Yussufu, die die Treffen der Gruppe organisiert.
Insgesamt wirkt ihr Protest leiser als in der Anfangsphase. Aufgeben wollen Yussufu und ihre Mitstreiter aber noch lange nicht - trotz vieler anderer Diskussionen, die die Entführung allmählich zu überlagern drohen.
(KNA - okslo-89-00093)
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