Thomas de Maiziere erfindet die Islamkonferenz neu
KNA 28.01.2014
Von Volker Resing (KNA)
Berlin (KNA) Es gibt wenige Politikfelder, auf denen das Klima so wichtig ist für das Gedeihen politischer Pflanzen wie beim Dialog mit dem Islam. Deswegen war es ein so wichtiges Resultat, dass nach dem ersten Gespräch des neuen Innenministers Thomas de Maiziere (CDU) mit muslimischen Verbänden deren Vertreter von einem "warmherzigen" Empfang sprachen. "Das war ein Gespräch auf Augenhöhe", sagte der Bundesvorsitzende der türkischen Gemeinde, Kenan Kolat. Der Minister selbst erklärte, er habe versuchen wollen, dass auf dem Neustart der Islamkonferenz "kein Schatten" liege. Im März soll das neue Konzept fertig sein. De Maiziere ist noch keine 50 Tage Innenminister und hat den festgefahrenen Beziehungen des Staates zu den islamischen Religionsgemeinschaften bereits neue Dynamik verliehen. Wohin das führt, ist noch nicht abzusehen. Er könne sich viel vorstellen, sagte de Maiziere. Auch über muslimische Militärseelsorge, einen islamischen Feiertag oder Gebetsräume in öffentlichen Gebäuden könne gesprochen werden. Unklar ist aber auch, wie die heterogene und nicht in Verbänden organisierte muslimische Gemeinschaft auf den neuen Kurs reagiert. Die Verkleinerung der Islamkonferenz, die aus der bisweilen behäbigen Schauveranstaltung eine agierende Einrichtung machen soll, könnte Skeptiker auf dem Plan rufen, die vor einer Dominanz der Verbände warnen. Ob der Minister auch Islamkritikern sein Gehör schenkt, bleibt abzuwarten. Für den engagierten Christen de Maiziere rückt die Religion in das Zentrum der Betrachtung. Der Islamdialog ist keine Frage der Zuwanderung mehr oder der "Willkommenskultur". Vielmehr gehe es darum, dass Muslime in Deutschland, unabhängig von Herkunft und Lebensgeschichte, ihren Glauben leben könnten. Das ist ein Perspektivwechsel. Ähnlich wie die Kirchen müssten auch die verschiedenen islamischen Glaubensgemeinschaften "für den Zusammenhalt der Gesellschaft" arbeiten. Deswegen könnte es bald auch so etwas wie muslimische Caritas- und Diakonie-Verbände geben. Ein riesen Rad sei da zu drehen, betont der Minister. Immerhin geht es auch um staatliche Zuschüsse und öffentliche Trägerschaften etwa von Krankenhäusern oder Kindergärten. Das besondere an de Maizieres Vorpreschen ist, dass er den Elan des Neubeginns mit der Erfahrung seiner ersten Amtsperiode verbinden kann. Der neue Innenminister ist auch der alte, von 2009 bis 2011 war er bereits Hausherr in Alt-Moabit. Dabei kann er nicht nur als der Sanftmütige gelten. In seiner ersten Amtszeit gab es handfeste Konflikte in der Islamkonferenz. Nach dem euphorischen Start unter Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) taten sich Risse auf. De Maiziere schloss 2010 den Islamrat von den Beratungen wegen laufender strafrechtlicher Ermittlungen bei seinem Mitglied Milli Görüs aus. Der Zentralrat der Muslime verabschiedete sich auch, so dass de Maizieres Nachfolger das Gremium nicht in Bestform übernahm. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verstärkte die Unwucht noch, in dem er sich thematisch auf Sicherheitsfragen konzentrierte. De Maiziere versteht es insgesamt mehr als sein Vorgänger, auch mit weichen und eher symbolischen Formaten Politik zu machen. Die Deutsche Islam Konferenz ist keine Einrichtung, die sich logisch aus der Verfassung oder dem Staatsaufbau ergeben würde. Zwar ist der Innenminister qua Geschäftsordnung eine Art Religionsminister, doch liegen die Zuständigkeiten für die meisten Problembereiche bei den Ländern und Kommunen. Allerdings hat die Islamkonferenz etwa beim Religionsunterricht und auch bei der Debatte um Gleichberechtigung so etwas wie eine gesamtgesellschaftliche Initialzündung setzen können. Das will de Maiziere nun in anderen Bereichen wiederholen. Die Terrorbekämpfung und die Sicherheitsthematik ist originäre Aufgabe des Innenministers, doch genauso unpassend scheint es ihm, diese Fragen strukturell an die Deutsche Islam Konferenz zu koppeln. Das wichtigste erste Ergebnis, das de Maiziere bereits vorweisen kann, ist, dass er mit den muslimischen Verbänden einen Sicherheitsdialog vereinbart hat, dieser aber von der Islamkonferenz gelöst wurde.
(KNA - oklms-89-00041)
Neues Konzept zur Islamkonferenz bis Mitte März Berlin (KNA)
Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) will bis Mitte März ein Konzept zur Fortsetzung der Islamkonferenz vorlegen. Das kündigte der Minister am Montag in Berlin nach einem ersten Gespräch mit Vertretern muslimischer Verbände an. Bei der Unterredung habe man sich auf Inhalte konzentriert "und gemeinsam diskutiert, wie wir unseren Dialog ergebnisorientiert und nach vorne schauend fortsetzen können", sagte der Minister. Die Gespräche würden in den kommenden Wochen fortgesetzt, um sich über Ziele, Themen, Struktur und Aufbau der Konferenz verständigen. Nach Angaben des Ministeriums nahmen sieben Verbände an dem Treffen teil, darunter die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, zeigte sich nach dem Gespräch optimistisch. "Heute haben wir tatsächlich ergebnisoffen, auch formatsoffen und inhaltsoffen gesprochen", sagte Mazyek der Deutschen Welle. Es gehe darum, den Islam als Teil der Gesellschaft in Deutschland zu verstehen. Nach Ansicht des Wissenschaftlers Bülent Ucar sollte bei einer Neuausrichtung die gleichberechtigte Anerkennung des Islam als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Mittelpunkt stehen. "Weil diese Frage auf Landesebene zu klären ist, müssen die Bundesländer viel stärker in die Islamkonferenz einbezogen werden", sagte der Direktor des Instituts für islamische Theologie an der Universität Osnabrück der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag). Nur durch eine rechtliche Gleichstellung der islamischen Gemeinden mit anderen anerkannten Religionsgemeinschaften in Deutschland lasse sich ein Dialog auf Augenhöhe führen. Die Linke bezeichnete unterdessen die Islamkonferenz als Symbolpolitik. Statt ihre gesellschaftliche Anerkennung zu fördern, habe die Konferenz Muslime bislang eher als problematische Gruppe erscheinen lassen, erklärte die migrationspolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Sevim Dagdelen. "Integration ist eine soziale, keine religiöse Frage", so Dagdelen. Es müsse um die soziale und politische Teilhabe aller hier lebenden Menschen gehen - unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen oder religiösen Herkunft. Dazu bedürfe es "keiner Konferenzen oder Kommissionen, sondern einer anderen Politik mit praktischen Schritten zu rechtlicher und sozialer Gleichstellung".
(KNA - oklmr-89-00114)
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