Der Islam und die Gewalt
MDR FIGARO 20.12.2014
Sie nennen sich Gotteskrieger. Sie sind ideologisch geschult in Koranschulen und in Moscheen. Sie verüben unvorstellbar grausame Verbrechen auch an Frauen und Kindern. In dieser Woche zeigte sich die Weltöffentlichkeit entsetzt über den Angriff radikal-islamistischer Taliban auf eine Schule im pakistanischen Peshawar. Die Angreifer töteten 155 Menschen - darunter 135 Kinder und Jugendliche. Die Fundamentalisten beriefen sich bei ihrem Anschlag auf ihre Religion. Muss der Islam sein Verhältnis zur Gewalt klären? Bastian Wierzioch hat dazu mit dem Geschäftsführer der christlich-islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle CIBEDO, Timo Güzelmansur, gesprochen.
Irak, Syrien, Pakistan, Afghanistan, Somalia, Mali, Nigeria. Die Gräueltaten, die radikale Islamisten wie die Terrormilizen IS oder Boko Harram im Namen Gottes verüben, verunsichern ganze Länder. Am Montag stürmte im australischen Sydney ein aus dem Iran stammender bewaffneter Geiselnehmer ein Café und brachte 17 Menschen in seine Gewalt. Drei Menschen wurden getötet, darunter auch der mutmaßlich islamistische Geiselnehmer.
Der Koran und die Gewalt
Die Heilige Schrift der Muslime gibt zur Gewaltfrage nicht eindeutig Auskunft. Der Koran ist widersprüchlich. Es gibt einige friedlich-versöhnliche Stellen, aber eben auch aggressiv-kriegerische Aufrufe zu Gewalt und Krieg, wenn es etwa in einer Sure (48,29) heißt: "Diejenigen, die zu Mohammed, dem Gesandten Allahs halten, sind barmherzig untereinander, aber voll Härte gegen die Ungläubigen." Zur Frage, ob der Islam sein Verhältnis zur Gewalt klären muss, sagt CIBEDO-Geschäftsführer Timo Güzelmansur bei der deutschen katholischen Bischofskonferenz:
"Ich glaube, dass eine historische Selbstkritik des Islam zur Klärung seines Verhältnisses zur Gewalt unvermeidlich ist. Es ist wichtig, den Kontext der Koranstellen zu sehen. Welche historischen Hintergründe gibt es? Das muss eine genuin islamische Islamexegese heraus stellen und ein Instrumentarium an den Tag legen, wie man mit solchen Stellen umgehen muss. Damit auch gläubige Muslime sehen, dass heute bestimmte Stellen keine Relevanz mehr besitzen."
Timo Güzelmansur, der Geschäftsführer der christlich-islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle CIBEDO
Muslime in Deutschland
Der katholische Theologe Güzelmansur sieht auch Muslime in Deutschland in der Pflicht. Es genüge nicht, sich nur von Gewalt zu distanzieren. "Notwendig erscheint mir eine prinzipielle Ablehnung religiöser Gewaltakte. Es müssen Argumente und nicht nur Distanzierungen erfolgen. Muslimische Orientierungsfiguren und Oberhäupter müssen aus dem islamischen Denken heraus begründen, warum derartige Handlungen gegen den Gotteswillen verstoßen." Laut Güzelmansur verleihe "erst die innerislamische Begründung einer Verurteilung Überzeugungs- und Durchsetzungskraft". Von den Islamverbänden in Deutschland fordert der Theologe "dass sie sich zusammen tun und zu dieser Gewaltfrage eine grundsätzliche Antwort geben, weshalb sich ihr Islamverständnis von dem der islamistischen Terror-Milizen unterscheidet".
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