Papst sucht im Heiligen Land auch das Gespräch mit dem Islam
KNA 19.05.2014
Von Christoph Schmidt (KNA)
Vatikanstadt (KNA) Ab Samstag besucht Papst Franziskus das Heilige Land. Er kommt als Pilger und als Botschafter der Ökumene - und als oberster Beauftragter seiner Kirche für den interreligiösen Dialog an der Schnittstelle der drei abrahamitischen Religionen. Austausch und Zwietracht zwischen Juden, Muslimen und Christen lagen hier immer nah beieinander. Über Jahrhunderte dominierten zwischen Islam und Christentum das Misstrauen und blutige Feindschaft. Erst seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) bemüht sich die katholische Kirche um aktive Verständigung mit den Anhängern Mohammeds. Bis heute sind die Gespräche im Zeichen von Kreuz und Halbmond kompliziert.
Franziskus reist mit einem großen Vertrauensvorschuss zu den Begegnungen mit muslimischen Würdenträgern ins Heilige Land. Seine Worte und mehr noch seine Gesten haben auch viele Muslime berührt. Symbolische Momente wie die Fußwaschung bei einer muslimischen Inhaftierten in einem römischen Gefängnis am Gründonnerstag nach seiner Wahl oder seine Segenswünsche zum Ramadan auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa wurden in den islamischen Medien gefeiert.
In der jordanischen Hauptstadt Amman spricht Franziskus am Samstag mit König Abdullah II., der als Nachfahre Mohammeds und Brückenbauer zwischen den Kulturen einiges Ansehen genießt. Auf dem Jerusalemer Tempelberg, der drittheiligsten Stätte des Islam, kommt Franziskus am dritten und letzten Tag seiner Reise mit dem Großmufti zusammen. Die Gespräche werden die angespannte politische Lage im Schatten des Syrien-Kriegs und das Zusammenleben der Religionen berühren. Erstmals zählt zur offiziellen Reisedelegation auch ein befreundeter islamischer Geistlicher aus Bergoglios Zeit als Erzbischof von Buenos Aires.
Inzwischen kann man davon ausgehen, dass der Dialog zwischen der Kairoer Al-Azhar-Universität und dem Vatikan nach den päpstlichen Offerten wieder aufgenommen werden wird. Die einflussreiche sunnitische Lehrstätte hatte die regelmäßigen Gespräche Anfang 2011 auf Eis gelegt, weil Papst Benedikt XVI. (2005-2013) es gewagt hatte, nach dem mörderischen Anschlag auf einen koptischen Weihnachtsgottesdienst mehr Schutz für die Christen in Ägypten zu fordern.
Diese Direktheit hat sein Nachfolger bislang vermieden. Sie widerspricht seinem Dialogverständnis in Zeiten, in denen die Christen des Nahen Ostens unter einer wachsenden Islamisierung der Region seit dem "Arabischen Frühling" leiden und Radikale jeden Ruf nach Toleranz als Kampfansage verstehen. In seinem Lehrschreiben "Evangelii gaudium" formulierte Franziskus den Appell äußerst vorsichtig, fast flehend: "Ich ersuche diese Länder demütig darum, in Anbetracht der Freiheit, welche die Angehörigen des Islam in den westlichen Ländern genießen, den Christen Freiheit zu gewähren, damit sie ihren Gottesdienst feiern und ihren Glauben leben können."
Zudem beklagt er in dem Dokument "Zwischenfälle" und "gehässige Verallgemeinerungen" gegen Christen durch islamischen Fundamentalismus. Der altgediente Präsident des päpstlichen Dialogrates, Erzbischof Jean-Louis Tauran, ließ derweil keinen Zweifel daran, dass Glaubensfreiheit zur Nagelprobe im interreligiösen Dialog wird. Franziskus hat den Franzosen unlängst im Amt bestätigt.
Der Papst aus Argentinien, dem das religionspolitische Mosaik des Vorderen Orients weniger vertraut sein dürfte als seinen europäischen Vorgängern, setzt eher auf praktische Berührungspunkte. Zudem verweist er darauf, dass der Koran Teile der christlichen Lehre bewahre, schreibt er in "Evangelii gaudium". Der "wahre Islam" und eine "angemessene Interpretation" des Buches verbieten nach seinem Verständnis jede Gewalt gegen Andersdenkende.
Johannes Paul II. (1978-2005) zeigte wohlwollendes Interesse am Islam und baute die nach dem Konzil geknüpften Kontakte aus. Benedikt XVI. versuchte, den Dialog auf eine neue Stufe zu heben: die wissenschaftlich-theologische Auseinandersetzung mit der anderen Religion. Der Wirbel um seine "Regensburger Rede" 2006 zum Verhältnis von Vernunft und Gewalt im Islam zeigte, wie dicht das Unterholz ist. Franziskus steht nun vor der Aufgabe einer ersten Synthese aus diesen beiden. Die politischen und konfessionellen Gegensätze im Nahen Osten könnten dafür im Mai 2014 kaum schwieriger sein.
(KNA - okplt-89-00015)
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