Nikolaus Schneider vermisst Debatte über Gewalt im Koran
KNA 06.11.2014
Berlin (KNA) Die großen Islamverbände müssen sich nach Ansicht des scheidenden Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, noch intensiver mit dem Thema Gewalt im Koran auseinandersetzen. Er begrüße die Stellungnahmen der Verbände etwa gegen Judenhass, betonte Schneider in einem Interview der Zeitung "Welt" (Donnerstag). Was allerdings von offizieller Seite an kritischen Äußerungen zu Legitimierung von Gewalt im Koran und in der islamischen Tradition komme, sei ihm "zu wenig", so der EKD-Ratschef mit Blick etwa auf Anhänger extremistischer Gruppierungen wie dem "Islamischen Staat" (IS).
Grundsätzlich gehe er davon aus, dass sich die Islamverbände und deren Vertreter vorbehaltlos für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen einsetzten und nichts mit dem IS zu tun hätten. "Wir müssen aber nüchtern feststellen, dass sich der IS auf den Islam beruft. Darüber haben wir zu debattieren." Im Unterschied zu evangelischen oder katholischen Theologen hätten muslimische Gelehrte jedoch möglicherweise größere Schwierigkeiten, eine friedlichere Lesart ihrer Religion durchzusetzen, räumte Schneider ein.
Zur Begründung verwies der EKD-Ratsvorsitzende auf die Entstehungsgeschichte der beiden Religionen. "Das Christentum hatte vor Kaiser Konstantin zunächst 300 Jahre der Verfolgung erlebt, ehe es in Machtpositionen kam, in denen Christen und ihre Kirchen selbst zu grausamen Verfolgern wurden." Der Islam habe sich dagegen direkt "mit Feuer und Schwert" auf kriegerische Weise ausgebreitet. "Das hat offensichtlich Ansatzpunkte im Koran - wie ja auch die Bibel für Begründungen von Gewaltanwendungen nicht ganz frei ist", so Schneider. "Darauf können heute jene zurückgreifen, die den Glauben für ihr Gewaltregime missbrauchen wollen."
Schneider wird am Dienstag bei der EKD-Synode in Dresden sein Amt niederlegen, um sich seiner krebskranken Frau Anne widmen zu können.
(KNA - ollkq-89-00027)
Auf unserer Hauptseite finden Sie weitere Informationen zu den Themen interreligiöser Dialog und christlich islamischer Dialog.