Franziskus trifft in Istanbul auf Spuren seiner Vorgänger
KNA 26.11.2014
Von Alexander Brüggemann (KNA)
Istanbul (KNA) Istanbul ist eine vom Islam geprägte Stadt, allem verordneten Laizismus zum Trotz. Doch es ist gleichzeitig eine christliche Stadt, eine der bedeutendsten der Weltgeschichte: Konstantinopel, die Stadt der frühchristlichen Konzilien, in denen um Glaubensbekenntnisse gerungen und Schismen besiegelt wurden; Byzanz, die Stadt des oströmischen Kaisertums, der letzten christlichen Verteidigungsschlacht von 1453, die Stadt der Hagia Sophia, über ein Jahrtausend größte Kirche der Christenheit.
Neben etwa 2.000 Moscheen gibt es bis heute rund 150 christliche Kirchen im Stadtgebiet der 15-Millionen-Metropole: armenische, griechisch-orthodoxe, katholische, syrische, anglikanische und evangelische. Die Gemeinden, oft versteckt, abgelegen und nur in den seltensten Fällen auch von Touristen oder westlichen Pilgern besucht, führen ein bescheidenes Schattendasein jenseits der vermeintlichen Segnungen der westlichen Zivilisation: den Discos, Musik-Shops und Imbissbuden. Wenn Franziskus am Wochenende als vierter Papst der Neuzeit nach Paul VI. (1967), Johannes Paul II. (1979) und Benedikt XVI. (2006) nach Istanbul reist, trifft er auch auf teils überraschende Spuren seiner Vorgänger. Schon seit 1921 etwa gibt es vor der lateinischen Heilig-Geist-Kathedrale im Stadtteil Harbiye ein Denkmal für den "Friedenspapst" des Ersten Weltkriegs, Benedikt XV. (1914-1922).
Ein Papstdenkmal in Istanbul, noch dazu aus überaus laizistischer Zeit? Aufgestellt bereits wenige Wochen vor dem Tod Benedikts XV., erinnert es an die vielfältigen humanitären Hilfsleistungen dieses Papstes für die Notleidenden - und an die unermüdlichen, letztlich vergeblichen diplomatischen Bemühungen, die kämpfenden Mächte Europas zu einem Frieden zu bewegen.
Im Westen sind die Initiativen Benedikts XV. schon bald historischem Vergessen anheimgefallen. Hier am Bosporus, wo das Osmanische Reich während des Kriegs an der Seite Deutschlands zerbröselte, erinnert bis heute die Inschrift des Denkmals an den "großen Papst der Welttragödie Benedikt XV. - dem Wohltäter der Völker ohne Unterschied der Nationalität und Religion, zum Zeichen der Dankbarkeit des Orients (1914-1919)".
Die nahe gelegene Straße, in der die Türkische Bischofskonferenz ihren Sitz hat, trägt sogar den Namen eines Papstes. Bürgermeister Mustafa Sarigul benannte die frühere "Ölcek Sokak" 2001 in "Papa Roncalli Sokak" (Papst-Roncalli-Straße) um. Angelo Giuseppe Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII. (1958-1963), wirkte von 1934 bis 1944 als Vatikanbotschafter für die Türkei und Bulgarien mit Sitz in Ankara. In dieser Zeit habe er sich als ein "Freund der Türken" erwiesen und sogar die Landessprache gelernt, so der Bürgermeister.
Sarigul würdigte den im April 2014 heiliggesprochenen Konzilspapst damals als "Initiator des christlich-muslimischen Dialogs". In Anwesenheit des griechisch-orthodoxen und des armenischen Patriarchen nannte der Bürgermeister das "Mosaik" verschiedener Kulturen, wie es in Istanbul existiere, einen "Reichtum für jedes Gemeinwesen". Tatsächlich finden im Alltag nicht immer alle dieser "Mosaiksteine" Gefallen in den Augen der türkischen Behörden.
Benedikt XVI. segnete bei seinem Türkei-Besuch 2006 zudem eine Statue von Johannes XXIII. Die fast lebensgroße Bronzeskulptur des Künstlers Carlo Balljana wurde später vor der italienischen Nationalkirche des heiligen Antonius aufgestellt. Diese größte katholische Kirche Istanbuls liegt im Stadtteil Galata, an der Flaniermeile Istiklal Caddesi.
Wie bei Benedikt XVI. 2006 ist auch diesmal wieder ein Stopp des Papstes in der Hagia Sophia vorgesehen. Erbaut unter Kaiser Justinian im sechsten Jahrhundert, wurde sie 1453 zur Moschee und 1935 zum Museum umgewandelt. Bei seiner Kurzvisite 1967 kniete Paul VI. in der einst größten Kirche der Welt zum Gebet nieder - und brachte damit den türkischen Außenminister in einige Verlegenheit. Dass sich auch Papst Franziskus auf symbolträchtige Gesten versteht, zeigte er nicht nur bei seiner Heilig-Land-Reise im Mai und dem späteren Nahost-Friedensgebet in den Vatikanischen Gärten. Auch er dürfte wohl seine Spuren in Istanbul hinterlassen.
(KNA - ollmp-89-00155)
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