Kurz nach "Regensburger Rede" reiste Benedikt XVI. in die Türkei
KNA 20.11.2014
Von Johannes Schidelko (KNA)
Vatikanstadt/Istanbul (KNA) Von den 24 Auslandsreisen Benedikts XVI. war der Türkei-Besuch vom 28. November bis 1. Dezember 2006 zweifellos der schwierigste. Die Polemik um die sogenannte Regensburger Rede des Papstes mit ihrem mohammedkritischen Zitat sechs Wochen zuvor fiel am Bosporus besonders heftig aus. Es gab Proteste und Attentatsdrohung. Der Thriller "Wer tötet Benedikt XVI. in Istanbul?" stürmte die türkischen Bestsellerlisten. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wollte den Gast aus Rom erst gar nicht mehr treffen. Eine Absage der ganzen Reise lag in der Luft.
Doch dann kam doch vieles anders: Mit behutsamen Ansprachen, freundlichen Worten, gewinnenden Gesten und einem leicht geänderten Programm erwarb sich Benedikt XVI. in der Türkei Respekt und Sympathien. Schon in den Tagen vor der Reise machte die Polemik einer sachlich-diplomatischen Atmosphäre Platz. Erdogan beendete seinen Spagat zwischen Kritik und erklärter Nichtzuständigkeit. Er sprach von Gastfreundschaft, kanzelte die Anti-Papst-Demonstrationen ab und stand zur Begrüßung des Gastes überraschend doch am Rollfeld.
Schon bei dieser Begrüßungszeremonie fand Benedikt XVI. lobende Worte für die Türkei. Er komme "als Freund, als Apostel des Dialogs und des Friedens". Der eigentliche Durchbruch erfolgte dann möglicherweise durch ein Missverständnis. Aus seinem Vier-Augen-Gespräch mit dem Gast berichtete Erdogan, Benedikt XVI. befürworte einen EU-Beitritt der Türkei. Das überraschte, da zwei Tage zuvor der vatikanische Außenminister noch klargestellt hatte, der Heilige Stuhl beziehe als Nicht-EU-Mitglied keine Position zur Beitrittsfrage. Aber er sei nicht dagegen, wenn die Kopenhagener Beschlüsse erfüllt und Menschenrechte und Religionsfreiheit voll verwirklicht würden - was jedoch derzeit noch nicht der Fall sei.
Ob es sich bei Erdogan um ein Missverständnis handelte, um einen Übersetzungsfehler, ob er die Papstworte falsch wiedergegeben hat oder ob der Papst die genannten Bedingungen voraussetzte, ist offen. Auf jeden Fall fand das EU-Plädoyer spontanen Applaus in türkischen Medien.
Freilich war es eine ganz andere Papstreise: keine jubelnden Menschentrauben, keine Willkommensplakate, nur eine weiß-gelbe Vatikanfahne am Atatürk-Mausoleum. In Istanbul waren die Sicherheitsmaßnahmen und Absperrungen noch rigider als zuvor bei US-Präsident George W. Bush; sie sorgten für eine einsame Reise.
Im Mittelpunkt stand der Besuch bei einer Minderheit: Der römische Papst stattete dem Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie Bartholomaios I. einen Antrittsbesuch ab. Zudem wollte Benedikt XVI. den rund 50.000 Katholiken der Türkei eine Stärkung durch die Weltkirche geben.
Das Treffen mit dem Patriarchen kam zu einem Zeitpunkt, als gerade eine ökumenische Kälteperiode zu Ende ging und der theologische Dialog wiederaufgenommen wurde. Benedikt XVI. bezeichnete die Ökumene als ein zentrales Anliegen seines Pontifikates. Die Trennung der Kirchen sei ein Skandal und schade der Glaubwürdigkeit der Christen.
So gehörte der Friedensgruß mit Bartholomaios I. auf dem Außenbalkon des Phanar ebenso zu den prägenden Bildern der Reise wie der Moment, als Benedikt XVI. bei der Messe in der antiken Konzilsstadt Ephesus spontan eine türkische Fahne ergriff und schwenkte. Medialer Höhepunkt aber war der Besuch in der Blauen Moschee, den der Papst kurzfristig ins Programm eingeschoben hatte. Still und nachdenklich verweilte er vor der Gebetsnische, neben ihm der Imam. Heftig diskutiert wurde anschließend die Frage, ob der Papst vor dem Mihrab gebetet habe. Benedikt XVI. habe "meditiert und seine Gedanken sicher an Gott gerichtet", deutete ein Vatikansprecher später die Szene. Dem Imam dankte er anschließend vielsagend "für den Moment des Gebetes".
"Der Türkei-Besuch war ein voller Erfolg. Er verlief besser als zunächst erwartet", resümierte der damalige Ökumene-Minister Kardinal Walter Kasper. Bei allen drei gesteckten Zielen habe es Erfolg gegeben: in der Ökumene, der Stärkung der christlichen Minderheit und im Kontakt zum Islam. Mit seinen "ausgefeilten, mutigen wie vorsichtigen Ansprachen und ebenso mit seinen Gesten" hat Benedikt XVI. "bestehende Freundschaften gefestigt und verlorenes Vertrauen zurückgewonnen".
(KNA - olllt-89-00191)
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