Die bedrängte Regierung nimmt Nichtmuslime ins Visier
KNA 20.05.2014
Von Michael Lenz (KNA)
Kuala Lumpur (KNA) "Die Jugend muss sich von extremen und militanten Ideologien distanzieren, die dem Land schaden könnten ... Ebenso muss sie vermeiden, sich in die Falle von Liberalismus und Pluralismus locken zu lassen." Diese Warnung richtete Malaysias Premierminister Najib Razak vergangene Woche an die Jugend des Landes. Damit scheint sich der bislang als moderat geltende Najib auf die Seite der islamischen Hardliner Malaysias zu schlagen, die Liberalismus, Pluralismus und Menschenrechte ablehnen. Wahlweise werden Kommunisten, Christen, Homosexuelle, Chinesen oder Juden verdächtigt, die Bevölkerungsmehrheit der muslimischen Malaien zu entrechten und den Islam unterdrücken zu wollen.
"Die Rede von Najib hat mich überrascht", sagt Jan Senkyr, Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in Malaysia. Der 60-jährige Najib, seit dem desaströsen Abschneiden der Regierungskoalition Barisan Nasional (BN) bei der Wahl im Mai 2013 politisch schwer angeschlagen, habe sich bislang bei kontroversen Themen zurückgehalten. "Das legten seine zahlreichen Gegner als Schwäche aus", meint Senkyr. Mit den starken Worten wolle Najib jetzt wohl von Problemen ablenken, die auch seine konservativ-malaiisch-islamische Stammwählerschaft verunsichern: die Einführung der Mehrwertsteuer, aber auch Malaysias Rolle bei der Aufklärung des Dramas um den Malaysia-Airlines-Flug MH 380.
Unterdessen verstärken konservative islamische Gruppen ihre Kampagne gegen ethnisch-religiöse Minderheiten. Abdul Karim Omar, Präsident der islamischen Gruppierung Muafakat, warnte unlängst bei einer Universitätsveranstaltung in Shah Alam vor "christlichen Priestern", die nach seiner Darstellung als Fußballtrainer getarnt muslimische Jugendliche missionierten.
Für Abdullah Zaik Abdul, Präsident der Organisation Ikatan Muslimin Malaysia, sind die Chinesen gar "Eindringlinge", die ins Land gekommen seien, um die "Malaien zu tyrannisieren". Zaik warf allen malaysischen Nicht-Muslimen vor, als "Stellvertreter kapitalistischer jüdischer Gruppen" auf eine Zerstörung von Malaysias "islamischer Identität" aus zu sein.
Inzwischen droht Regierungschef Najib über seine Anwälte dem regierungskritischen Onlinemagazin "Malaysiakini" mit einer Klage wegen Diffamierung. Die katholische Oppositionspolitikerin Teresa Kok steht wegen "Volksverhetzung" vor Gericht. Der 50-jährigen Parlamentsabgeordneten der Demokratischen Aktionspartei (DAP) wird vorgeworfen, in einem auf YouTube veröffentlichten Video mit dem Titel "Onederful Malaysia" Muslime und Spitzenpolitiker beleidigt zu haben. Die Satire auf die Politik Najibs hatte teils wütende Proteste hervorgerufen. Islamische Organisationen lobten eine Prämie von umgerechnet 265 Euro für jeden aus, der Kok öffentlich ohrfeigt.
Auch andere Oppositionspolitiker sehen sich Drangsalierungen ausgesetzt. Der vor wenigen Wochen verstorbene DAP-Vorsitzende Karpal Singh war kurz vor seinem Unfalltod wegen "volksverhetzender Bemerkungen" über den Sultan von Perak schuldig gesprochen worden. Der Oppositionspolitiker Anwar Ibrahim wurde im März wegen angeblicher Homosexualität verurteilt. Wird das Urteil rechtskräftig, verliert Anwar alle politischen Ämter und muss ins Gefängnis.
Nach Singhs Tod verbot der Fatwa-Rat Muslimen, verstorbenen Nichtmuslimen "Ruhe in Frieden" zu wünschen. Darauf bezog sich Marina Mahatir, Tochter des ehemaligen Premierministers und malaiischen Nationalisten Mohammed Mahatir, in einem Kommentar für die Tageszeitung "The Star": "Es gab einmal eine Zeit", schrieb sie, "in der unsere Eltern und Lehrer uns beibrachten, freundlich zu anderen zu sein, egal wer sie sind." Heute dagegen gelte es "als Todsünde, wenn man rücksichtsvoll und höflich zu Menschen ist, die einen anderen Glauben haben als wir".
(KNA - okpmk-89-00069)
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